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Das Feuer von Konstantinopel

Das Feuer von Konstantinopel

Titel: Das Feuer von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingmar Gregorzewski
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Köchin erhob sich von ihrem Platz. Es kostete sie Überwindung zu sprechen. Sie fühlte sich beklommen.
    „Zwei Tagen ist es her... da starb... die Mutter. Alt war sie. Alles zu Ende. Ab ins Armengrab. Na ja... Will sie uns was sagen... vielleicht?“, fragte sie unbeholfen und versuchte dabei, Baptist in die Augen zu sehen.
    Baptist ruckte auf seinem Stuhl hin und her, wie eine Marionette.
    „Ha!“, rief er aus. „Verflixt, was fällt euch ein... geht euch gefälligst nicht dauernd an die Kehlen! Das ist doch furchtbar... der ganz Zank!“ Felix kam die Stimme fremd vor. Sie klang ganz anders als die, die er eigentlich von Baptist kannte.
    Verlegen sah sich die Köchin um. Dann wandte sie sich wieder Baptist zu. Aber sie schien mehr ihre tote Mutter zu meinen, als sie rief: „Noch was?“
    Wieder war es so, als würde jemand anderer aus Baptist sprechen. Eine Stimme hatte sich seiner bemächtigt, da war sich Felix sicher.
    „Und immer die Angst vor Leuten, die was Besseres sind! Ab nach Hause, vom Rumgequatsche wirst Du auch nicht jünger!“, polterte Baptist los.
    Die Köchin drehte sich zum Publikum und rief, was ohnehin schon alle ahnten: „Das ist sie! Mein Muttchen. So hat sie uns immer gepredigt. Aber genau so!“
    Glücklich und verzückt ging sie auf ihren Platz zurück, an dem ihr Mann schon auf sie wartete.
    „Na siehste!“, sagte er. „Im Jenseits sabbelt sie auch nicht anders. Bist du jetzt beruhigt?“ Die Menschen um sie herum lachten erleichtert.
    Neben Felix stand mutig Ottilie auf. Alle Augen waren jetzt auf sie gerichtet.
    „Wie geht es meinen Kindern? Sind sie bei guten Leuten untergekommen?“, rief sie Baptist zu. Dabei kneteten ihre Hände die Küchenschürze als müssten sie Wasser auswringen.
    Baptist blieb ganz ruhig. Er lächelte Esther zu. Die griff zur Geige und streifte mit dem Bogen über die Saiten. Nur ganz kurz erklang die Melodie und Baptist war zufrieden. Er war jetzt bereit, Ottilie zu antworten.
    „Sag’, wie hast du sie genannt?“, fragte er zuerst.
    Ottilie wurde verlegen.
    „Täubchen!“, antwortete sie schüchtern und kaum hörbar. Scheinbar schämte sie sich. „Täubchen... alle beide Täubchen.“
    „Gott, wir sind alle hier!“, sprach Baptist und seine Stimme klang wieder wie die eines Jungen. „Oft ist es heiß, mal regnet es. Ihre Betten sind hart. Die Nächte kurz. Tränen fließen ab und zu. Aber sie leiden nicht. Seht doch, wie schön die Mandelbäume blühen! Schöner als je zuvor. Aber am meisten freuen sie sich auf die Pfirsiche, die sie bald ernten werden. Ich weiß, sie leben dort, wo man sie liebt!“
    „Wo soll das alles sein?“, fragte sich Ottilie und konnte ihre Tränen kaum noch zurückhalten. „Pfirsiche ernten, Mandelbäume in Berlin? Davon hab’ ich noch nie was gehört...! – Wie sehen Mandelbäume aus?“
    Nachdenklich saß sie da und Hermine legte den Arm um sie. Aber auf eine wundersame Weise war Ottilie zufrieden, ja, sie lächelte sogar, glücklich darüber, überhaupt eine Antwort auf ihren Schmerz bekommen zu haben. Auch wenn diese Antwort nur noch mehr Fragen aufwarf.
    Felix erkannte seine Chance zu handeln. Er sprang auf und erklomm den Tisch. Jeder im Saal konnte ihn nun sehen.
    „Baptist!“, rief er aus. „Baptist, ich bin es Felix! Leben meine Eltern noch? Wo sind sie? Wo kann ich sie finden? Bitte, antworte! Antworte schnell!“
    Noch ehe Baptist richtig reagieren konnte, kam der Kardinal aus seiner dunklen Ecke hervor. Sein roter Handschuh winkte aufgeregt Otto Watzke zu. Der schickte per Pfiff sofort die Schankkellner los, die sich augenblicklich durch die Menge boxten, um Felix zu packen.
    Doch kurz bevor es so weit war, rief Felix erneut nach Baptist.
    Auch Esther sah Felix. Schnell nahm sie ihre Geige unter das Kinn und strich mit dem Bogen erneut die Melodie. Sie wollte Felix helfen. Baptist sammelt seine Gedanken, hielt sie fern vom Tumult im Saal.
    „Es ist eine Stadt mit drei Namen!“, rief er. „Es sind drei Namen, Felix...!“
    In der Zwischenzeit hatten sich die Schankkellner Felix gegriffen und zogen ihn mit roher Gewalt vom Tisch. So gut er konnte, wehrte sich der Junge gegen die Übermacht. Felix strampelte mit den Beinen, trat um sich. Gläser und Geschirr gingen zu Boden. Wut und Verzweiflung ließen ihm ungeahnte Kräfte wachsen. Aber die Männer waren natürlich viel stärker als er. Er hatte keine Chance gegen sie.
    „Lasst mich los! – Mein Name ist Felix von Flocke... Helfen Sie mir,

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