Das Feuer von Konstantinopel
Kaiserin im Schlafanzug stehen. Doch die schien das gar nicht zu bemerken.
„Du schläfst noch nicht, Felix?“, fragte sie voller Erstaunen.
„Nein, Majestät, es ist der Mond, er scheint heute so hell“, antwortete Felix ihr.
„Ich bin gekommen um dir zu danken. Mein Sohn ist ganz glücklich, dass du sein Freund geworden bist. Vielleicht kannst du in Zukunft ja öfters zu uns kommen“, sagte die Kaiserin.
„Das ist auch mein größter Wunsch, Majestät!“, antwortete Felix höflich und verneigte sich vor ihr.
„Jetzt lasse ich dich aber mit dem Mond alleine!“, scherzte die Kaiserin und wandte sich lächelnd zum Gehen. An der Türe blieb sie noch einmal stehen und sah zu Felix.
„Sag’, Felix, damals in der ‘Neuen Welt’ hast du nach deinen Eltern gerufen. Weißt du denn nicht, wo sie sind?“, wollte die Kaiserin wissen.
Felix starrte sie mit großen Augen an. Sollte er ihr jetzt die ganze Geschichte beichten? Würde sie zu ihnen, zu Baptist, Esther und ihm, halten oder würde sie kein Wort glauben und die Soldaten rufen?
„Sie sind auf einer Reise!“, antwortete Felix zögerlich.
„Und du? Was ist mit dir?“, fragte die Kaiserin nach einer kleinen Pause.
„Mit mir...?!? – Mich haben sie vergessen, Majestät“, log Felix und versuchte fröhlich zu wirken.
„Aber das gibt es doch gar nicht!“, wunderte sich die Kaiserin.
„Ich bin ein Junge aus dem Armenviertel. Mich haut das nicht um. Ich werde sie schon finden!“, sagte Felix und setzte sein schönstes Lächeln auf.
Die Kaiserin sah ihn prüfend an. Es war schon spät.
„Wir werden sehen! – Nun befiehlt dir deine Kaiserin aber: Marsch ins Bett!“
Wie ein Taucher ringt der Prinz mit der Tiefe seiner Gedanken, die ihn jetzt fluten. Er will an die Oberfläche seines Traumes gelangen, die rettende Wahrheit erreichen, bevor er vor Angst ertrinkt. Aber die Geschichte vom einäugigen Wolf zieht ihn wieder und wieder in den dunklen Abgrund des Schlafes. Er wird Zeuge, wie das blinde Mädchen erschrickt, als es das Knacksen im Geäst hört. Sie riecht den hungrigen Atem des Wolfes und fleht das Tier um Gnade an.
Gnade habe man mit ihm auch nicht gehabt, knurrt der einäugige Wolf böse, entweder sterbe er oder sie.
Das Herz des Prinzen pocht wild. Seine geschlossenen Augen rollen hin und her, so aufgeregt ist er. Er hat große Angst um das blinde Mädchen, aber er kann ihm nicht helfen.
Ihre Schwester wohne in einem Schloss, am anderen Ende des Waldes, sagt das Mädchen tapfer, aber sie könne den Weg alleine nicht finden.
„Führ mich dorthin und du wirst nie wieder Hunger und Durst leiden. Denn sie wird aus Dankbarkeit darüber, dass du mich zu ihr gebracht hast, für dich sorgen. Was hast du zu verlieren? Wenn du mich jetzt frisst, hast du morgen wieder Hunger und übermorgen wieder und wieder und wieder...“
Er hätte nur ein Auge, antwortet der einäugige Wolf. Dieses Auge würde ihre letzte Hoffnung sein.
„Halte dich gut an meinem Fell fest, damit du den Weg nicht verpasst und fürchte dich nicht.“
Gemeinsam ziehen die beiden los, stemmen sich gegen das heftige Schneetreiben und den Sturm. Wie ein Rubin funkelt das Auge des Wolfes in der Dunkelheit.
„Wie nennt man dich?“, fragt der Wolf.
„Sonja!“, antwortet das Mädchen.
16 .
Die Wasser des Bosporus fließen schnell. Sie kennen keine Ruhe. Vielleicht sehen wir uns nie wieder. Niemand kann das vorhersagen. Wir befinden uns alle auf einer Reise, so wie das Wasser. Die Wege dieser Reise kennt niemand, nur das Ziel. Das Ziel ist die Vergänglichkeit. Wir richten unseren Weg nach dem Muster der Sterne, dem Stand der Sonne oder am Flug der Zugvögel aus. Goldsucher erzählen, dass es sogar Steine gibt, die durch das Tal des Todes wandern können. Alles ist in Bewegung, aber das ändert nichts. Werdet ihr mich jemals wiedererkennen, wenn die Nacht zu Ende ist und meine Geschichte vorbei? Mit den Augen vielleicht. Aber auch mit dem Herzen? Wie wärmt man sich ohne Feuer, bei bitterer Kälte? Ich musste es lernen. Ich hatte keine Wahl.
Am anderen Morgen führte Frau von Waldburg Felix schon früh zu den Gemächern des Prinzen. Der saß bereits vor dem Figurentheater. Nachdenklich starrte er in den künstlichen Wald, der vor ihm aufgebaut war.
Aus dem Schlosshof erschallten wie Tags zuvor die Rufe der Soldaten. Unermüdlich marschierten sie im Gleichschritt über das Pflaster.
Als Felix den Raum betrat, sprang der Prinz voller Freude auf,
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