Das Filmbett
zum
befriedigenden Gelingen zu kommen. So setzte man die ganze Szene noch einmal
für den nächsten Tag an und repetierte sie — ohne Stab, Beleuchter und Kamera —
nach Drehschluß ausgiebig. Die Feuerwache, reichlich mit Biergeld versehen,
steckte die druckfeuchten DM-Scheine weg und ging inzwischen in die Kantine,
nicht ohne draußen noch an der Eisentür gehorcht zu haben. Aber das
Tonfilmstudio war schalldicht. Und die rote Lampe sagte ausdrücklich: »Eintritt
verboten. Tonaufnahme!« —
So können auch wir nur raten, wie
diese Proben zu dritt verliefen. Wir wissen lediglich, daß Sarah Bernhardts
Bett schließlich die untariflichen Überstunden verweigerte und aus Protest
zusammenbrach.
Der Aufenthalt in der Schreinerei
war nur vorübergehend. Und wir wollen die Zeit der fünfziger Jahre überblenden
in die des sechsten Jahrzehntes.
Unser Star hat sich über die
Filmkrise hinweg gut erhalten, unser Filmbett, durch Eisenverstärkungen wieder
sturmfest gemacht — ist immer noch, oder wieder, im Dienst. Es hat alle
Filmpleiten überstanden und dient jetzt einem neuen Herrn.
Die jungen Mannschaften der
Television sind siegreich eingezogen. Man trägt die Brillengestelle der
amerikanischen Intellektuellen auf der Nase und hochgestochene Literatur unter
den Armen. Man fühlt sich als Kulturträger der Nation, erhaben über die abgewirtschafteten
Filmfritzen. Aber man kommt um das Filmbett nicht herum — im Gegenteil, man
belagert es mit drei, vier elektronischen Kameras, um den zentralen Schauplatz
aus allen Blickwinkeln gleichzeitig im Bild zu haben. Man filmt nicht mehr, man
zeichnet auf, es gibt keinen Vorspann, sondern einen Nachspann — schließlich
muß man sich ja als neues Medium profilieren.
Anfangs ist man etwas verschämt,
zugeknöpft und prüde, aber mit dem Verdämmern des erfolggeschwächten
Wirtschaftswunders wird man kühner, den Fernsehräten zum Trotz.
Unser Filmstar — im Gesicht nur
wenig geliftet, körperlich völlig intakt und einige Sünden wert — darf nun vor
dem Magnetband die Bänder seines Negligés lösen. Dem Wandel der
gesellschaftlichen Sittenlockerung vermag sich auch das spießige neue Medium
auf die Dauer nicht zu entziehen. Bein, Wade und Schenkel werden frei, die
Schamschwelle geht zurück wie die Wellenränder des Meeres bei Ebbe, erst zeigt
sich ein großzügiger Brustansatz, dann der nackte Busen und schließlich auch
die Muschel der Aphrodite, gekrönt von dem frischen Seetang des lockigen
Schamhaares. Es ist vollbracht. Nun kann auch im Fernsehen gebumst werden, denn
was fängt man schon nackicht anderes an.
Die versierte Filmschauspielerin,
rasch zum Fernsehstar geworden, hat sich auf die Möglichkeiten — und
Gegebenheiten — der öffentlich-rechtlichen Unterhaltungselektronik eingestellt.
So verzichtet sie heute klug auf
das Mittagessen in der Kantine, läßt sich (da man das Bett schlecht in die
Garderobe bringen kann) eine Flasche Sekt und ein Sandwich ins Studio kommen,
und bleibt, um sich zu konzentrieren, auf dem Schauplatz der nächsten Szene,
nämlich im liebgewordenen Bett. Und dann hat sie ja — ach, beinahe hätte sie es
vergessen! — eine Besprechung mit dem jungen Redaktor der Fernsehabteilung über
eine eigene Personality-Show.
Seltsam, denkt sie, in diesem
Fernsehladen wimmelt es nur so von Toren — Redaktoren, Moderatoren,
Kommentatoren, das klingt nach kräftigem bayrischem Starkbier, und dabei sind
diese Triumphatoren in ihrer Stammwürze soooo schwach, die schauspielerischen
Versager sind Ansager geworden, die Sprecher Versprecher — ja, versprechen tun
sie viel, diese Direktoren, nur mit dem Halten, da hapert es. Ruhig, da kommt
er. Ein junger, etwas ungelenker und gehemmter und deswegen auch recht
arroganter Seminarist der Mediensoziologie — weiß der Teufel, was das ist — ,
jedenfalls einer, der den Beruf eines pensionsberechtigten
Anstaltsangestellten, frühangepaßt und mit Frau und Kind schwer beladen, einem
freien Beruf auf geistiger Wildbahn vorgezogen hat. Kein Gegner für mich,
überlegt sie, leichte Beute. Ein Würstchen aus der Frankfurter Schule von
Adorno und Marcuse und schon ein veritabler Spießer, ein Frankfurter Würstchen
sozusagen. Komm nur, und ritsch-ratsch — wird der Knabe verspeist...
Die Atelierwache entfernt sich
diskret, ein Augenwink von ihr hatte genügt. Niemand wird stören, aber die Zeit
drängt. Das Bett ächzt nicht, Eisenbänder und geölte Putzwolle haben es
geknebelt und zum Verstummen
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