Das Filmbett
als man noch nicht begonnen hatte, die üblen Erfahrungen der ersten Nachkriegstage aus dem Bewußtsein zu verdrängen. Wie prahlte noch Friedel Schuster mit strahlendem Gebiß, daß es bei ihr wenigstens kein gewöhnlicher Iwan, sondern ein schmucker Kosakenhauptmann gewesen sei, der durchaus akzeptabel war, sähe man davon ab, daß er die Küchentür aus den Angeln gehoben, sie auf den Kachelboden gelegt habe und es unbedingt dort mit ihr habe treiben wollen, statt der freundlichen Einladung auf ihre noch intakte Couch im Wohnzimmer zu folgen.
Einer Küchentür war ihre jetzige Rückenstütze zweifellos vorzuziehen. Der jungen Schauspielelevin sah man ihre flüchtigen propagandaministeriellen Beziehungen nach, schließlich hatte sie für Goebbels zweimal gediegene Ausreden gefunden und niemand denunziert. Also bekam sie das O.K. der Besatzungsmacht.
Um so mehr, als sie nun auch noch das Four-letter-Voka-bular auf Englisch perfekt beherrschte.
Eines Nachts rief sie mich an »Du - du kennst doch sicher die jüdischen Ausdrücke dafür.« - »Wofür?« - »Na, du weißt schon wofür. Ich bekomme nämlich heut' noch Besuch.« Sie ließ sich die Vokabeln vorbuchstabieren und schrieb sie sich auf. Als ich noch weiter mit ihr plaudern wollte, meinte sie hastig: »Entschuldige, das geht jetzt nicht, ich habe nur noch eine halbe Stunde Zeit, um jiddisch vögeln zu lernen!«
Das Bett verkaufte unser Requisiteur, der sich nun auf sein Ferienhaus an einem märkischen See zurückziehen wollte und der damit aus unserer Geschichte ausscheidet. Es wurde erworben von einem der unzähligen neuen, unbelasteten Produzenten der Wiederaufbauzeit. Er stellte es in den »keniglichen Räumen« der beschlagnahmten Villa eines Nazibonzen auf, die er für sich »organisiert« hatte.
Der frischgebackene Jungstar traf abermals auf die liebe alte Bekannte. Wohlig rieb die immer hübscher werdende Schauspielerin Renate ihren Rücken auf der vertraut gewordenen Bettstatt. Und es war ihr, als würde der alte Schragen sie erkennen und freundlich ankrächzen, wenn sie sich auf ihm reiten ließ. Bereitwillig nahm er den Rhythmus auf, den sie vorgab. Die alte Sarah Bernhardt würde ihr im Geist sicher ein anerkennendes Schnalzen durch die Unendlichkeit zusenden. Und während der Produzent, der sich offensichtlich zuviel zugemutet hatte, im Schweiße seines Angesichtes über ihr bemüht war, schloß sie ihre Augen und träumte von - ja, von wem nur? -, von dem jungen, schmalen Schauspielkollegen - er war zuletzt doch noch eingezogen worden -, oder von dem schmucken, gutgenährten Ami, der so vortrefflich entnazifizieren konnte? Wohl von beiden - und sie stöhnte auf. »War ich gut?« fragte der erschöpfte Produzent und, als sie geistesabwesend nickte, gab er seine Anstrengungen selbstgefällig, aber erleichtert auf. Sie aber streichelte zärtlich die Längsseiten des Bettes, für das sie langsam Heimatgefühle empfand. -
Renate machte - wie erwartet - rasch Karriere bei dem einsetzenden Filmboom der Nachkriegsjahre, und das Bett feierte sein Comeback. Der Produzent vermietete es seiner Filmfirma gegen überhöhte Leihgebühren für Filmaufnahmen in seinen eigenen Studios und verlangte außerdem noch Lagerkosten. So kam er mehrfach auf seine Rechnung.
Das Bett kehrte aus der relativen Privatheit der Produzentenvilla zurück in die sorgsam ausgeleuchtete Öffentlichkeit eines Filmdekors. Und der Jungstar - nun schon vielbeschäftigt - nahm es in durchsichtigen Schlafgewändern abermals in Besitz und unter seinen hübschen Hintern. Man war im Kreise guter Freunde. Denn der junge Regieassistent von damals hatte es glücklich zum Regisseur gebracht, und der Schauspielkollege - aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt -war der Partner der Liebesnacht, die das Drehbuch von ihr verlangte.
Es war eine bittersüße Abschiedsszene, die es darzustellen galt, aber wen wunderte es, daß die Aufnahmen immer wieder heiter wurden. Denn jeder der drei wußte über den anderen Bescheid, der Regisseur, der Partner und der weibliche Star und - last not least - auch die ächzende hölzerne Dame aus dem Paris der zweiten Republik, die dem Tonmeister den größten Kummer bereitete. Das erschütternde Liebesopfer wurde immer wieder von verständnisinnigem Lächeln und prustendem Gelächter unterbrochen, man mußte alle Einstellungen unzählige Male wiederholen, ohne zum befriedigenden Gelingen zu kommen. So setzte man die ganze Szene noch einmal für den nächsten
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