Das Finale
Frauke.
»So geht das nicht«,
schimpfte Putensenf. »Dann fragen wir ihn doch nach seinem Namen.« Er sah sich
um. »Wo ist der Herr?«
»Weg.«
»Was heißt ›weg‹?«,
empörte sich Putensenf. »Sie haben ihn gehen lassen?«
»Nein. Während ich
den Rettungseinsatz koordiniert habe und Sie informierte, hat er sich
abgesetzt.«
»Soso. Der große
Unbekannte. Wie sind Sie an den geraten?«
»Das war anonym.«
»Und dann halten Sie
es nicht für notwendig, uns davon in Kenntnis zu setzen?«
»Ich treffe meine
Entscheidungen allein«, sagte Frauke mit Bestimmtheit.
»Wem gehört das
Haus?«, mischte sich Madsack ein.
»Das ist eine
interessante Frage«, erwiderte Frauke. »Können Sie das herausbekommen?«
Der Hauptkommissar
nickte, griff in die Tasche seines Sakkos und förderte eine Rolle mit Schweizer
Schokolade zutage. Er hielt sie zuerst Frauke, dann Putensenf hin, bevor er
sich selbst mehrere Stücke in den Mund schob.
»Organisieren Sie
die Befragung der Nachbarn«, wies Frauke Putensenf an. »Hat jemand den Täter
gesehen, als er eintraf? War er allein? Wie ist er hierhergekommen? Vermutlich
mit einem Motorrad. Haben die Nachbarn beobachtet, wer in diesem Haus ein und
aus ging?«
»Das ist ein Job für
einen Doofen«, knurrte Putensenf missmutig.
»Dann habe ich den
Richtigen ausgewählt«, beendete Frauke den Disput. Sie atmete tief durch,
nachdem sie die erste Runde überstanden hatte. Damit war das Thema aber noch
nicht erledigt. Dessen war sie sich sicher.
Frauke suchte die
Spurensicherer und begann, akribisch in den Räumen, die die Kriminaltechniker
untersucht hatten, in den Schränken und Schubladen nach einem Hinweis zu
forschen, der ihr Aufschluss über Georgs Identität gegeben hätte. Sie ärgerte
sich über sich selbst, dass sie sich so unprofessionell verhalten hatte. Warum
hatte Georg seine Identität zu verschleiern versucht? Und warum hatte sie das
zugelassen? Es war ein schwacher Moment gewesen, und auch wenn sie es sich
selbst nicht eingestehen wollte, hatte sie den Hauch eines romantischen Gefühls
verspürt. Das durfte ihr nicht passieren, schalt sie sich.
Nirgendwo im Haus
fand sich ein Hinweis auf seine Identität, nicht einmal eine Stromrechnung.
Nach einer halben
Stunde kehrte Putensenf zurück. Er zeigte ein breites Grinsen.
»Ein vornehm
aussehender Mann war öfter in diesem Haus. Er hat bei den wenigen
Gelegenheiten, bei denen er jemandem begegnet ist, freundlich gegrüßt. Man
glaubt sich erinnern zu können, dass der Besucher schon seit drei oder vier
Jahren sporadisch hier aufgetaucht und immer für eine Weile geblieben ist. Ein
fester Rhythmus war aber nicht zu erkennen, das heißt, er ist nicht nur im
Sommer hier gewesen und hat den Winter in der Karibik zugebracht. Ein Nachbar
konnte sich aber erinnern, dass vor Kurzem eine Frau mit dem Mann hergekommen
ist. Als Sozia auf einem Motorrad.« Putensenf kratzte sich den Hinterkopf. »Der
Nachbar glaubt, die Frau heute wiedererkannt zu haben. Das Beste wäre, Sie
sprechen einmal persönlich mit dem Zeugen.«
»Das ist nicht
erforderlich. Ich denke, Sie können solche Aufgaben allein erledigen.«
»Sollen wir ein
Phantombild von der Frau anfertigen lassen?«, fragte Putensenf mit lauerndem
Unterton.
»Wenn Sie es für
richtig halten.«
Eine Spur
Enttäuschung zeigte sich auf Putensenfs Antlitz. »Wollen Sie bei dieser Aktion
nicht Modell sitzen?«
»Putensenf! Ich
ermahne Sie, Ihre Arbeit nicht mit Kaspereien zu begleiten«, wies Frauke ihn
zurecht. Es war eine Flucht nach vorn gewesen, da der Kriminalhauptmeister
darauf anspielte, dass man Frauke wiedererkannt hatte. Ihr Vorwärtspreschen
verunsicherte Putensenf. Mit einer solchen Reaktion hatte er nicht gerechnet.
»Ist schon in
Ordnung«, murmelte er und wandte sich ab.
Madsack hatte keinen
Zeugen gefunden, der eine ergänzende Aussage hätte liefern können.
Frauke fuhr von
Isernhagen über die Kugelfangtrift Richtung Westen. Nomen est omen, dachte sie,
da unweit dieser Straße Giancarlo Rossi von Necmi Özden ermordet worden war,
jenem Killer, der auch auf sie angesetzt war. Sie durchquerte das äußerlich
unaufgeräumt wirkende Industriegebiet beiderseits der Vahrenwalder Straße, das
auf dem Areal des alten Flughafens errichtet worden war. Wenig später hatte sie
die Justizvollzugsanstalt in der Schulenburger Landstraße erreicht.
Es dauerte eine
Weile, bis man Bernd Richter in den Verhörraum gebracht hatte. Mit einer
gewissen Genugtuung stellte
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