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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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auch
wieder, wie eine glänzende Forelle, die in dunkles Wasser abtaucht. Doch sie ließ dasselbe Gefühl des Friedens zurück - so als hätte ihn jemand kurz in den Arm genommen, eine sanfte Hand sein Haar berührt.
    Er schwang sich aus dem Sattel, denn er hatte das Bedürfnis, die Kiefernnadeln unter seinen Schuhen zu spüren, eine körperliche Verbindung mit dem Ort einzugehen. Er blieb einen Moment still stehen, dann wandte er sich vorsichtig nach rechts, Richtung Norden.
    Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wer ihm das beigebracht hatte - ob es Mutter, Vater oder der alte John, Ians Vater, gewesen war. Doch er sprach die Worte, während er sich mit der Sonne drehte, und murmelte das kurze Gebet nacheinander in jede der vier Himmelsrichtungen, bis er schließlich im Westen herauskam und in die sinkende Sonne blickte. Er hielt seine leeren Hände auf, und das Licht erfüllte sie und ergoss sich von seinen Handflächen.
    »Möge Gott jedem meiner Schritte Sicherheit schenken,
Möge Gott mir jeden Pass öffnen,
Möge Gott mir jede Straße frei räumen,
Und möge er mich in seinen beiden Händen halten.«
    Einem Instinkt folgend, der älter war als das Gebet, nahm er seine Gürtelflasche und goss ein paar Tropfen auf den Boden.
    Der Abendwind trug ihm Geräuschfetzen zu; Gelächter und Rufe, das Geräusch von Tieren, die sich ihren Weg durch das Unterholz bahnten. Die Karawane war nicht mehr weit entfernt; sie umrundete auf der anderen Seite einer kleinen Talmulde langsam den gegenüber liegenden Hügel.
    Dennoch zögerte er kurz, denn es widerstrebte ihm, den Frieden des Ortes zu brechen. Aus dem Augenwinkel bemerkte er eine winzige Bewegung, und er bückte sich und blinzelte in den zunehmenden Schatten unter einem Stechpalmenbusch.
    Sie saß erstarrt da und verschmolz perfekt mit ihrem dämmerigen Hintergrund. Er hätte sie niemals gesehen, hätte sein Jägerauge nicht ihre Bewegung aufgefangen. Ein winziges Kätzchen, dessen grauer Pelz aufgeplustert war wie eine Wollgrasblüte, die enormen Augen weit offen und reglos, beinahe farblos im Zwielicht unter dem Strauch.
    »A chait«, flüsterte er und streckte langsam den Finger nach dem Tierchen aus. »Was machst du denn hier?«
    Zweifellos eine verwilderte Katze, deren Mutter aus der Blockhütte irgendeines Siedlers davon gelaufen und sich längst aus der Falle der Domestizität befreit hatte. Er streichelte den feinen Pelz auf der Brust des Kätzchens, und unvermittelt senkte es seine Zähne in seinen Daumen.
    »Au!« Er fuhr zurück und betrachtete den Blutstropfen, der aus der kleinen Bisswunde quoll. Er funkelte die Katze ein paar Sekunden an, doch sie
starrte nur zurück und machte keine Anstalten, davonzulaufen. Er hielt inne, dann fasste er einen Entschluss. Er schüttelte den Blutstropfen von seinem Finger in das Laub, eine zusätzliche Opfergabe zu dem Whisky, den er vergossen hatte, ein Geschenk an die Geister dieses Ortes - die offenbar beschlossen hatten, ihm ebenfalls ein Geschenk zu machen.
    »Also gut«, murmelte er. Er kniete sich hin und streckte die Hand aus, die Handfläche nach oben gewandt. Ganz langsam bewegte er erst einen Finger, dann den nächsten, dann den nächsten und den nächsten und wieder von vorn, mit einer wogenden Bewegung wie Seetang unter Wasser. Die großen, hellen Augen starrten gebannt auf seine Bewegung, beobachteten ihn wie hypnotisiert. Er konnte sehen, wie der winzige Schwanz ganz leicht zuckte, und lächelte bei diesem Anblick.
    Wenn er eine Forelle betören konnte, und das konnte er, warum dann nicht auch eine Katze?
    Er zischte leise durch die Zähne, ein flüsterndes Geräusch wie entferntes Vogelgezwitscher. Das Kätzchen starrte fasziniert auf die sanft wogenden Finger, die langsam näher kamen. Auch als er schließlich erneut seinen Pelz berührte, rührte es sich nicht zur Flucht. Ein Finger schlich sich unter das Fell, ein anderer glitt unter die kleinen, kalten Polster einer Tatze, und dann ließ es sich sanft in die Hand nehmen und vom Boden aufheben.
    Er hielt es einen Augenblick an seine Brust und streichelte es mit einem Finger. Er fuhr an seinem seidigen Kinn entlang, an den zarten Öhrchen. Die kleine Katze schloss die Augen und begann ekstatisch zu schnurren. Auf seiner Handfläche grollte es wie ferner Donner.
    »Oh, dann kommst du also mit mir, ja?« Da von der Katze kein Widerspruch kam, öffnete er den Kragen seines Hemdes und steckte das Tierchen hinein. Es piekste ihn eine Weile in die

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