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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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gekommen, wo er ein Jahr vor Jamie Fraser angelangt war.
    »Ich bin zur selben Zeit dort eingeliefert worden.« Kenny warf einen Blick in seinen leeren Becher, dann griff er nach dem Krug. »Es war ein altes Gefängnis - halb zerfallen -, sie hatten es jahrelang nicht benutzt. Dann hat die Krone beschlossen, es wieder in Betrieb zu nehmen, und man hat Männer von überallher dort hingebracht; im Ganzen vielleicht hundertfünfzig. Zum Großteil verurteilte Jakobiten - den einen oder anderen Dieb, und ein oder
zwei Mörder.« Kenny grinste plötzlich, und Roger musste ebenfalls unwillkürlich lächeln.
    Kenny war kein großer Erzähler, doch er sprach mit einer solch schlichten Lebendigkeit, dass es Roger nicht die geringste Mühe bereitete, die Szenerie, die er beschrieb, vor sich zu sehen: die mit Ruß überzogenen Steine und die zerlumpten Männer. Männer aus ganz Schottland, ihrer Heimat entrissen, ihrer Familien und Freunde beraubt, wie Abfallstücke auf einen Komposthaufen geworfen, wo Schmutz, Hunger und Enge eine Gärungshitze produzierten, der weder Vernunft noch Höflichkeit standhalten konnten.
    Es hatten sich Grüppchen gebildet, zum Schutz oder um der tröstenden Gesellschaft willen, und zwischen den einzelnen Gruppierungen gab es ständig Konflikte. Sie schlugen hin und her wie Kiesel in der Brandung, stießen aneinander und zerschmetterten dann und wann ein Individuum, das ahnungslos dazwischengeriet.
    »Es ging um Essen und Wärme, aye?«, sagte Kenny nüchtern. »Etwas anderes interessiert einen an einem solchen Ort nicht.«
    Unter diesen Grüppchen hatte sich eine kleine Schar hartnäckiger Calvinisten befunden, an deren Spitze Thomas Christie stand. Sie hatten fest zusammengehalten, sich ihr Essen und ihre Decken geteilt, einander verteidigt - und ein freudloses, selbstgerechtes Verhalten an den Tag gelegt, das die Wut der Katholiken entfachte.
    »Hätte einer von uns Feuer gefangen - und das kam dann und wann vor, wenn jemand im Schlaf in den Kamin geschoben wurde -, hätten sie nicht einmal auf ihn gepisst, um ihn zu löschen«, sagte Kenny kopfschüttelnd. »Sie haben zwar kein Essen gestohlen, das nicht, aber sie haben ständig laut betend in den Ecken gestanden und endlose Predigten über Menschen gehalten, die Unzucht und Zinswucher betreiben, Bilder anbeten und so weiter - und sie haben dafür gesorgt, dass wir wussten, wer damit gemeint war! Und dann kam Mac Dubh.«
    Die spätherbstliche Sonne war im Untergehen begriffen; Kennys stoppelhaariges Gesicht verschwamm im Schatten, doch Roger konnte sehen, wie sich der grimmige Ausdruck, der Lindsays Erinnerungen begleitete, ein wenig entspannte.
    »So etwas wie die Wiederkunft des Herrn, was?«, sagte Roger. Er sagte es leise vor sich hin und war überrascht, als Kenny lachte.
    »Nur, wenn du damit meinst, dass einige von uns Seaumais ruaidh schon kannten. Nein, Mann, sie haben ihn auf dem Wasser gebracht. Du weißt doch, was passiert, wenn Jamie Roy auf einem Schiff fährt, oder?«
    »Ich habe so etwas läuten gehört«, antwortete Roger trocken.
    »Was auch immer du gehört hast, es stimmt«, versicherte ihm Kenny grinsend. »Er ist grün wie ein Mädchen in die Zelle gestolpert, hat in die Ecke gekotzt, ist unter eine Bank gekrochen und dort die nächsten ein, zwei Tage geblieben.«

    Als er wieder zum Vorschein kam, hatte sich Fraser eine Weile still verhalten und die anderen beobachtet, um herauszufinden, wer hier wer und was hier was war. Doch er war ein geborener Herr und war sowohl Gutsherr als auch Krieger gewesen; ein Mann, der unter den Highlandern großen Respekt genoss. Die Männer hatten automatisch zu ihm aufgeschaut, ihn nach seiner Meinung gefragt und ihn um Rat gebeten, und die Schwächeren hatten in seiner Gegenwart Schutz gesucht.
    »Und das ist Tom Christie furchtbar gegen den Strich gegangen«, sagte Kenny und nickte wissend. »Er war schließlich der Meinung, er wär’ der dickste Frosch im Teich, aye?« Kenny verzog zur Illustration das Kinn, blies seine Kehle auf und ließ seine Augen vorquellen, und Roger brach in Gelächter aus.
    »Aye, ich verstehe. Und er war von der Konkurrenz nicht begeistert, wie?«
    Kenny nickte beiläufig.
    »Vielleicht wäre es ja gar nicht so schlimm gewesen. Nur, dass die Hälfte seiner Predigerbande anfing, sich von ihren Gebeten davonzuschleichen, um Mac Dubhs Geschichten zuzuhören. Aber das Wichtigste war der neue Verwalter.«
    Bogle, der ursprüngliche Verwalter, hatte Ardsmuir

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