Das Flammende Kreuz
wieder entspannt; er konnte die harte, schmale Kante ihres Schulterblattes unter ihrer Haut spüren - sie war zu dünn, dachte er. »Du hast doch eine Zeit lang Geschichte studiert, nicht wahr? Du weißt doch, wie viel man an Alltagsgegenständen wie Geschirr und Spielzeug ablesen kann.«
»Mmm.« Sie klang skeptisch, aber er hatte das Gefühl, dass sie sich einfach nur sehnsüchtig wünschte, sich überzeugen zu lassen.
»Und über dich würde Jemmy noch viel mehr erfahren, weil er deine Zeichnungen hat«, sagte er. Und eine verdammte Menge mehr, als ein Sohn wissen sollte, wenn er je dein Traumbuch liest , dachte er. Der plötzliche Impuls, ihr das zu sagen, zu gestehen, dass er es gelesen hatte, zitterte ihm auf der Zunge, doch er schluckte ihn herunter. Mehr noch als ihre Reaktion bei der Entdeckung seiner Indiskretion fürchtete er, dass sie aufhören würde, in das Buch zu schreiben, und diese geheimen, kleinen Einblicke für immer für ihn verloren sein würden.
»Das stimmt wohl«, sagte sie langsam. »Ich frage mich, ob Jemmy wohl einmal zeichnen wird - oder musikalisch wird.«
Wenn Stephen Bonnet Flöte spielt , dachte Roger zynisch, würgte diesen subversiven Gedanken jedoch ab und weigerte sich, ihn zu vertiefen.
»Und so wird er am meisten über uns erfahren«, sagte er stattdessen und nahm seine sanfte Massage wieder auf. »Indem er sich selbst betrachtet, aye?«
»Mmm?«
»Nun, sieh dich doch einmal an«, sagte er. »Jeder, der dich sieht, sagt, >Du musst Jamie Frasers Tochter sein!< Und das liegt nicht nur an deinen roten Haaren - was ist mit deiner Schießkunst? Und die Art, wie du und deine Mutter es mit den Tomaten habt...«
Sie schmatzte automatisch mit den Lippen und kicherte, als er lachte.
»Na gut, okay, verstehe«, sagte sie. »Mmm. Warum musstest du nur von Tomaten sprechen? Ich habe letzte Woche die letzten getrockneten Tomaten verbraucht, und es dauert noch sechs Monate, bis es wieder welche gibt.«
»Tut mir Leid«, sagte er und küsste ihr entschuldigend den Nacken.
»Ich habe mich gefragt«, sagte er kurze Zeit später. »Als du von Jamie erfahren hast - als wir uns auf die Suche nach ihm gemacht haben -, musst du dich doch gefragt haben, was für ein Mensch er war.« Er wusste, dass sie sich das gefragt hatte; selbst er hatte das getan. »Als du ihn gefunden hast - wie hat er dem Vergleich standgehalten? War er deiner Vorstellung irgendwie ähnlich, nach allem, was du schon von ihm wusstest? Oder - nach allem, was du von dir selbst wusstest?«
Das brachte sie erneut zum Lachen, wenn auch ein wenig ironisch.
»Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Ich wusste es damals nicht, und ich weiß es heute noch nicht.«
»Wie meinst du das?«
»Nun, wenn man viel von einem Menschen hört, bevor man ihm begegnet, ist er in Wirklichkeit natürlich nicht so, wie man es gehört oder sich vorgestellt hat. Aber man vergisst seine Vorstellungen nicht; man behält sie im Kopf, und sie vermischen sich irgendwie mit dem, was man herausfindet, wenn man dem Menschen begegnet. Und dann -« Sie beugte den Kopf vor und dachte nach. »Wenn man jemanden zuerst kennen lernt und dann später Dinge über ihn erfährt - das beeinflusst die Art, wie man ihn sieht, doch auch, oder?«
»Aye? Mmm, ich denke schon. Meinst du... deinen anderen Vater? Frank?«
»So ist es wohl.« Sie bewegte sich unter seinen Händen, tat die Frage mit einem Achselzucken ab. Sie wollte nicht von Frank Randall sprechen, nicht jetzt.
»Was ist mit deinen Eltern, Roger? Meinst du, das ist der Grund, warum der Reverend all ihre alten Sachen in diesen Kartons aufbewahrt hat? Um dir die Gelegenheit zu geben, sie später durchzusehen, mehr über sie zu erfahren und es deinen echten Erinnerungen an sie hinzuzufügen?«
»Ja - ja, so wird es wohl gewesen sein«, sagte er unsicher. »Nicht, dass ich überhaupt irgendwelche tatsächlichen Erinnerungen an meinen Vater hätte; er hat mich nur einmal gesehen, und da war ich noch kein Jahr alt.«
»Aber du erinnerst dich doch an deine Mutter, oder? Zumindest ein bisschen?«
Sie klang leicht erregt; sie wünschte sich sehr, dass er sich an sie erinnerte. Er zögerte, und dann kam ihm ein Gedanke, der ihn wie ein kleiner Schock traf. Er begriff, dass er eigentlich niemals bewusst versuchte , sich an seine Mutter zu erinnern. Diese Erkenntnis erfüllte ihn mit einem plötzlichen, ungewohnten Schamgefühl.
»Sie ist im Krieg gestorben, nicht wahr?« Briannas Hand hatte jetzt angefangen,
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