Das Flammende Kreuz
jedoch an seiner Seite hängen. Er zog eine Augenbraue hoch und sah Roger an.
»Wer ist denn das?«
»Woher zum Teufel soll ich das wissen?« Er schüttelte sich, um die Fassung zurückzuerlangen. »Ich habe sie für Bonnet oder einen seiner Männer gehalten, aber offensichtlich war das falsch.«
»Offensichtlich.« Fraser schien etwas Lustiges an der Situation zu finden; ein Muskel in der Nähe seines Mundes zuckte heftig. » Qui êtes-vous, mademoiselle ?« , fragte er das Mädchen.
Sie sah ihn stirnrunzelnd an, und es war klar, dass sie kein Wort verstand, dann sagte sie erneut etwas in der merkwürdigen Sprache. Jamie zog beide Augenbrauen hoch.
»Was spricht sie da?«, fragte Roger.
»Ich habe keine Ahnung.« Mit einer Miene, in der sich Belustigung mit
Argwohn vermischte, wandte sich Jamie der Tür zu und hob die Pistole. »Lass sie nicht aus den Augen, aye? Sie ist ja bestimmt nicht allein.«
Das war offensichtlich; es erklangen Stimmen auf dem Dock. Ein Mann und eine weitere Frau. Roger wechselte einen verblüfften Blick mit Jamie. Nein, die Stimme gehörte weder Bonnet noch Lyon - und was in Gottes Namen machten all diese Frauen hier?
Doch die Stimmen näherten sich, und das Mädchen rief plötzlich etwas in seiner Sprache. Es hörte sich nicht wie eine Warnung an, doch Jamie drückte sich neben der Tür flach an die Wand, die Pistole im Anschlag und die andere Hand an seinem Dolch.
Die schmale Tür verdunkelte sich fast vollständig, und ein dunkler Zottelkopf schob sich in den Schuppen. Jamie trat vor und hielt einem sehr großen, sehr überrascht aussehenden Mann seine Pistole unter das Kinn. Er packte den Mann am Kragen, trat zurück und zog ihn in den Schuppen.
Dem Mann folgte eine Frau, deren hoch gewachsener, kräftiger Körperbau und hübsches Gesicht sie als die Mutter des Mädchens auswiesen. Die Frau war allerdings blond, während der Mann - der Vater des Mädchens? - so dunkel war wie ein Bär und diesem Tier auch sonst ausgesprochen ähnlich sah. Er war nahezu genauso groß wie Jamie, jedoch fast doppelt so breit, mit einer massigen Brust, kräftigen Schultern und dichtem Bartwuchs.
Keiner von ihnen schien im Geringsten alarmiert zu sein. Der Mann machte ein überraschtes Gesicht, die Frau ein beleidigtes. Das Mädchen lachte herzlich und wies dabei zuerst auf Jamie, dann auf Roger.
»Ich komme mir allmählich ziemlich albern vor«, sagte Jamie zu Roger. Er ließ die Pistole sinken und trat argwöhnisch zurück. Dann versuchte er es mit einer anderen Sprache aus seinem Repertoire.
»Ich glaube nicht, dass sie Deutsche sind«, sagte Roger. »Sie« - er wies mit dem Daumen auf das Mädchen, das Jamie jetzt prüfend ansah, als wollte sie sein Potential als Turnpartner im Stroh einschätzen - »schien weder Französisch noch Deutsch zu verstehen, wenn sie vielleicht auch nur so getan hat.«
Der Mann hatte stirnrunzelnd zwischen Jamie und Roger hin und her geblickt, um auszumachen, was sie sagten. Doch bei dem Wort »Französisch« schien sich seine Miene zu erhellen.
» Comment allez-vous ?«, sagte er mit dem grauenhaftesten Akzent, den Roger je gehört hatte.
» Parlez-vous français ?« , sagte Jamie, der den Mann nach wie vor mit Vorsicht betrachtete.
Der Riese lächelte und hielt seinen schwieligen Daumen und seinen Zeigefinger etwa drei Zentimeter auseinander.
» Un peu. «
Ein sehr kleines peu, wie sie schnell herausfanden. Der Mann kannte ungefähr ein Dutzend französischer Wörter, gerade genug, um sich selbst als
Mikhail Chemodurow vorzustellen, seine Frau sei Iva und seine Tochter Karina.
»Ruschki«, sagte Chemodurow und schlug sich mit der Hand auf die fleischige Brust.
»Russen?« Roger starrte die drei verdattert an, wogegen Jamie einen faszinierten Eindruck machte.
»Ich bin noch nie einem Russen begegnet«, sagte er. »Aber was in Gottes Namen machen die hier?«
Mit einigen Schwierigkeiten vermittelte man Mr. Chemodurow diese Frage. Dieser strahlte und wies mit einer ausladenden Geste seines massigen Arms auf das Dock.
» Les cochons«, sagte er. »Pour le Monsieur Wylie. « Er blickte Jamie erwartungsvoll an. » Monsieur Wylie ?«
Angesichts des beißenden Aromas, das alle drei Russen absonderten, kam die Erwähnung von Schweinen nicht besonders überraschend. Was die russischen Schweinehirten mit Philip Wylie verband, war schon weniger offensichtlich. Doch bevor man der Frage nachgehen konnte, erklang draußen ein lauter Rumms und ein knirschendes
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