Das Flammende Kreuz
waren. Alle bis auf einen.
Les cochons, hatte der Russe gesagt. Pour le Monsieur Wylie. Und hier war Wylie nun mit seinen Sklaven im Anmarsch, um seine Schweine in Empfang zu nehmen!
Er legte sich wieder auf den Bauch und rutschte zur Rückseite des Schuppendaches. Es war zwar die Frage, dachte er, ob Wylie eher dazu neigen würde, ihm zu helfen oder ihn eigenhändig aufzuspießen - doch er ging zumindest davon aus, dass dem Mann an der Rettung seiner Russen gelegen war.
Das Wasser war kalt, jedoch nicht so sehr, dass sein Körper davon taub wurde, und der Sog der Ebbe war noch nicht stark. Dennoch, nach der Verletzung an seiner Kehle und den Verbrennungen, die er bei dem Röhrichtbrand davongetragen hatte, war er viel kurzatmiger als früher, und so sah sich Roger gezwungen, alle zwei oder drei Schwimmzüge aufzutauchen, um Luft zu holen.
Ruby lips, above the water , sang er voller Ironie vor sich hin, blowing bub-bles soft and fine... Er holte tief Luft und hörte sich um, wobei er auf der Stelle trat. Er hatte zunächst auf die Südseite des Landestegs zugehalten, über sich jedoch Stimmen gehört und daher seine Richtung geändert. Jetzt befand er sich genau unter der nördlichen Kante des Docks, im tiefen Schatten des russischen Schiffs verborgen.
Der Schweinegeruch war überwältigend, und aus dem Frachtraum konnte er unterdrücktes Rumpeln und Grunzen hören, das direkt neben ihm durch das Holz drang. Himmel, waren sie etwa den ganzen Weg aus Russland in diesem winzigen Ding gesegelt? Es sah ganz danach aus; das Holz war mitgenommen und voller Kerben.
In seiner näheren Umgebung war keine Stimme zu hören. Der Regen fiel kräftig rauschend auf das Wasser der Meerenge; er würde dabei helfen, jedes Geräusch zu übertönen, das er machte. Also auf die Plätze, fertig, los. Er füllte seine Lungen bis zum Rand mit Luft und stieß sich in Richtung des verregneten Lichtes ab, das hinter dem Dock schimmerte.
Er schwamm verzweifelt, versuchte, dabei nicht zu spritzen, während er gleichzeitig jede Sekunde damit rechnete, eine Musketenkugel zwischen die Schulterblätter zu bekommen. Er stolperte ins Gebüsch, spürte, wie das Riedgras an seinen Armen und Beinen haften blieb und er sich daran schnitt, rollte sich keuchend halb herum, wobei Salz in die Schnitte eindrang, die sofort zu brennen begannen, dann war er auf Händen und Knien und kroch durch die dichten Marschgewächse. Schwarze Nadelbinsen schwankten über seinem Kopf, und der Regen trommelte ihm auf den Rücken, während ihm das Wasser fast bis zum Kinn ging.
Schließlich hielt er unter keuchenden Atemzügen an und fragte sich, was zum Teufel er als Nächstes tun sollte. Es war zwar gut, dem Schuppen entkommen zu sein, doch er hatte keinerlei Plan, was jetzt geschehen sollte. Wahrscheinlich suchte er am besten nach Jamie - wenn das möglich war, ohne dass er erneut erwischt wurde.
Als hätte dieser Gedanke jemanden auf ihn aufmerksam gemacht, hörte er ganz in seiner Nähe jemanden platschend und raschelnd durch die Marsch waten. Suchend. Er erstarrte und hoffte, dass der Regen seine Atemgeräusche übertönen würde, die laut in seinen Ohren rasselten.
Näher. Verdammt, sie kamen näher. Er tastete an seinem Gürtel herum, doch er hatte beim Schwimmen den Dolch verloren. Er zog ein Knie unter sein Kinn und hielt sich zum Aufspringen und Weglaufen bereit.
Über ihm wurde plötzlich das Gras beiseite geschoben, und er sprang gerade noch rechtzeitig auf, um dem Speer auszuweichen, der an der Stelle, wo er gelegen hatte, ins Wasser fuhr.
Der Speer landete zitternd vor seiner Nase, zwanzig Zentimeter von seinem Gesicht entfernt. Von der anderen Seite her gaffte ihn ein Schwarzer an, dessen Augen vor Erstaunen so groß wie Untertassen geworden waren. Der Neger schloss den Mund, blinzelte ihn an und sprach in zutiefst anklagendem Ton:
»Ihr seid gar kein Opossum!«
»Nein«, sagte Roger nachsichtig. »Das bin ich nicht.« Er strich sich mit zitternder Hand über die Brust, um sich zu vergewissern, dass sich sein Herz noch darin befand. »Tut mir Leid.«
Zu Hause sah Philip Wylie ganz anders aus als in Gesellschaft, dachte Roger. Für den Schweinefang mit losen Kniehosen und einem Farmerhemd bekleidet, feucht vom Regen und bar jeder Spur von Perücke, Schminke, Puder oder Schönheitspflästerchen, war er immer noch schlank und elegant, doch er sah ganz normal und einigermaßen kompetent aus. Außerdem wirkte er um einiges intelligenter,
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