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Das Flüstern der Schatten

Das Flüstern der Schatten

Titel: Das Flüstern der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Philipp Sendker
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tun?«, unterbrach ihn Paul schroff.
    »Ich muss wissen, was Michael Owen in China getrieben hat. Mit wem stand er in Kontakt? Hatte er Freunde oder Bekannte? Ich sehe im Augenblick für mich nur zwei Möglichkeiten etwas über ihn zu erfahren: Sein Computer und seine Eltern. Zu beiden habe ich keinen Zugang.«
    Paul hielt es nicht mehr auf dem Sofa aus, er stand auf und ging im Zimmer auf und ab. Der Computer und die Eltern. Würde es dabei bleiben? Konnte er David diese Bitten abschlagen? Michaels Rechner hatte er sich schon angeschaut, und ein Telefonat mit den Owens war eine Sache von Minuten.
    »Um die Festplatte habe ich mich gestern sofort gekümmert. Ich wollte es dir sagen, hab dich aber nicht erreicht. Seinen Zugangscode habe ich durch Zufall herausbekommen, er lautet Packers67. Ich kam nicht sehr weit, der Computer ist voller Dokumente, die fast alle wieder mit Passwörtern gesichert sind, und ich habe noch nicht versucht, die auch herauszufinden. Einen Ordner mit Fotos konnte ich öffnen, und auf dem Schreibtisch lag ein Brief gespeichert, den er, glaube ich, noch nicht in die entsprechende Ablage getan hatte. Ich zeig dir die Sachen.«
    Paul holte die Festplatte und seinen Labtop, stellte sie vor David auf den Tisch und schaltete den Computer ein. Sie betrachteten die Bilder, ohne etwas zu sagen, dann öffnete Paul den Brief, las ihn laut vor und übersetzte die Zeilen gleichzeitig:
»Lieber Victor,
ich habe es Dir gestern am Telefon gesagt und will es auch in dieser Form noch einmal ganz deutlich zum Ausdruck bringen: Unsere letzte Begegnung war mehr als unerfreulich. So etwas möchte ich nicht noch einmal erleben, sonst sehe ich mich gezwungen, daraus meine Konsequenzen zu ziehen. Deine Drohungen empfinde ich als eine Frechheit. Deine Vorwürfe und Anschuldigungen entbehren jeder Grundlage. Sie sind verletzend und unerhört. Du beleidigst sowohl unsere Firma als auch unsere Familie. Wären wir in Amerika, könnte ich Dich für so etwas verklagen. Ich fordere Dich hiermit auf, Dich bis zum Wochenende in aller Form zu entschuldigen.
    Michael.«
    Paul beobachtete seinen Freund aus den Augenwinkeln. David war in sich zusammengesunken, er kauerte auf dem Sofa, sein Blick schweifte ziellos durch den Raum, seine Lippen waren schmal und seine Augen sehr klein geworden. Wenn Paul nicht alles täuschte, sah er verängstigt aus. Fast flüsternd bat er ihn, das Gelesene noch einmal zu wiederholen.
    »Nach einem gewöhnlichen Streit unter Geschäftspartnern klingt das nicht, was meinst du?«, sagte Paul, nachdem er den Text noch ein weiteres Mal vorgelesen hatte.
    David reagierte gar nicht. Was war mit seinem Freund geschehen? Hatte er ihn nicht gehört, oder war er mit seinen Gedanken woanders? Was beschäftigte ihn, wovor konnte er Angst haben?
    »David, was ist los mit dir?«
    Er reagierte noch immer nicht.
    »Woran denkst du?«
    »Ich?«, antwortete er mit zäher Stimme, als kehre er nur langsam aus einer anderen Welt zurück. »Gar nichts. Bin einfach nur erschöpft. Was hast du gesagt?«
    »Dass der Brief nicht nach einem gewöhnlichen Streit unter Geschäftspartnern klingt.«
    »Nein, das tut er nicht.«
    »Vielleicht wissen die Eltern darüber mehr. Soll ich Elizabeth Owen jetzt anrufen?«
    »Nein«, entfuhr es David laut. »Jetzt noch nicht. Auf keinen Fall.«
    »Warum nicht? Du hast doch gesagt...«
    »Wir... wir müssen vorsichtig sein.«
    Paul kannte seinen Freund nun über zwanzig Jahre, aber so verschreckt hatte er ihn noch nicht erlebt. »David, irgendetwas stimmt mit dir nicht.«
    David schüttelte den Kopf. »Nein, nein, Paul es ist nichts. Ich sage nur, dass wir jetzt keinen Fehler machen dürfen. Wir wissen nicht, welches Verhältnis die Eltern zu Victor Tang haben und wie eng ihr Kontakt im Augenblick ist. Wenn du jetzt nach einem Streit fragst, würden sie sich wundern, wie du darauf kommst und warum du überhaupt noch so viele Fragen stellst, wo der Täter doch schon gefasst ist. Sie würden unter Umständen Tang davon erzählen, und der darf auf keinen Fall davon erfahren, dass wir, dass ich noch keine Ruhe gebe. Er würde es sofort Lo, meinem Chef, sagen, und ich möchte mir nicht ausmalen, was dann passiert. Außerdem...« Er beendete den Satz nicht.
    »Außerdem was?«
    »Nichts, Paul, nichts.«
    »Du wolltest noch etwas sagen.«
    »Ja, aber nicht jetzt.«
    »Warum nicht?«
    »Weil es nichts mit diesem Fall zu tun hat.«
    »Na und? Aber es beschäftigt dich sehr, oder?«, sagte Paul in

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