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Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Titel: Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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angebracht, das einen kleinen Messingrahmen beleuchtete, in dem eine Karte steckte. Auf dieser stand zu lesen: MYCROFT HOLMES, ARTIUM BACCALAUREUS. Holmes klopfte an. Die Tür wurde unverzüglich geöffnet; vor uns stand ein hochgewachsener Konstabler mit rotem Gesicht und finsterer Miene.
    Bevor er noch den Mund aufmachen konnte, sagte Holmes: »Ich bin Sherlock Holmes. Ist Mallon zu sprechen?«
    »Superindentent Mallon ist …«, setzte der andere schwerfällig an, als ein zweiter Mann, den ich auf Anfang vierzig schätzte, herbeieilte und sich als Mallon vorstellte. In unverkennbarem Ulster-Dialekt sagte er: »Sie sind Mycroft Holmes’ jüngerer Bruder, nicht wahr? Mein Kollege Lestrade hat mir viel von Ihnen erzählt. Ich nehme an, Sie sind gekommen, weil Sie vom Verschwinden Ihres Bruders erfahren haben. Ich kann Ihnen leider noch nichts Konkretes sagen. Sie hätten warten sollen …«
    Holmes hielt ihm das Telegramm unter die Nase, das mit »Superintendent Mallon« gezeichnet war. Der Mann stutzte und runzelte die Stirn. »Ich habe Ihnen dieses Telegramm nicht geschickt«, sagte er.
    »Das hatte ich bereits vermutet. Die Frage ist nur: Wer war es dann? Und warum?«
    »Es wurde im Postamt in der Sackville Street aufgegeben. Es könnte jeder Beliebige gewesen sein.«
    »Seltsam, dass Sie tatsächlich, wie es im Telegramm steht, hier am Merrion Square sind.«
    »Das ist reiner Zufall. Gestern wusste noch niemand, dass ich mich heute hier aufhalten würde. Ich bin erst um Mitternacht vom örtlichen Polizeirevier über das Verschwinden Ihres Bruders in Kenntnis gesetzt worden.«
    Mallon bedeutete Holmes einzutreten. Als ich es ihm gleichtun wollte, fragte mich der Beamte missbilligend, wer ich denn sei.
    »Das ist mein Freund und Mitarbeiter Dr. Watson«, erklärte Holmes, woraufhin mir Mallon sichtlich widerstrebend Zutritt gewährte.
    »MacVitty!«, rief der Superintendent. Sofort erschien ein großer, hagerer Mann, dessen Kleidung keinen Zweifel daran ließ, dass er genau das war, was er zu sein schien, nämlich der persönliche Diener eines Gentlemans. Gefragt, ob er ein Telegramm nach London aufgegeben habe, schüttelte er verneinend den Kopf, ehe er seinen stechenden Blick auf Holmes richtete und diesen wie einen alten Bekannten begrüßte: »Es ist schön, Sie wiederzusehen, Herr Sherlock, aber ich wünschte, die Umstände wären andere.«
    »Ich nehme an, Sie waren es, der die Polizei rief, MacVitty«, bemerkte Holmes freundlich. »Erzählen Sie uns, wie es dazu kam.«
    »Da gibt es nicht viel zu erzählen, Sir. Ich habe Herrn Mycroft am Donnertag Abend erwartet. Er wollte nicht in seinem Klub speisen, sondern zu Hause, und trug mir auf, Lachsforelle zuzubereiten und eine Flasche Pouilly-Fumé kaltzustellen. Als er nicht erschien, dachte ich erst, er hätte vielleicht umdisponiert. Doch dann kam Mr. O’Keefe von oben und sagte, Herr Mycroft habe ihn auf ein Glas Brandy und eine gute Zigarre eingeladen. Mr. O’Keefe ist Herrn Mycrofts Kollege in Dublin Castle, Sir.«
    »Sie sagten eben, er ›kam von oben‹. Was meinten Sie damit?«
    »Mr. O’Keefe wohnt hier im Haus, und zwar im obersten Stock. Er hat eine Weile auf Herrn Mycroft gewartet und ist dann in seine Wohnung zurückgekehrt. Als Herr Mycroft zum Frühstück immer noch nicht aufgetaucht war, habe ich die Polizei benachrichtigt.«
    »Und das war Freitag früh?«, hakte Holmes nach.
    »Die örtliche Polizei hat erst gestern Nacht reagiert«, verteidigte sich Mallon. »Bei einem alleinstehenden Herrn gibt es viele Gründe, über Nacht fortzubleiben …«
    »Merkwürdig«, sinnierte Holmes, »dass Sie ausgerechnet jetzt vor Ort sind, wie es im Telegram steht.«
    Mallon sah ihn argwöhnisch an. »Ich verstehe nicht, worauf Sie hinauswollen«, entgegnete er.
    »Nun, ich habe schon viel von Ihnen gehört, Mallon. Ich weiß, dass Sie kein gewöhnlicher Polizist sind, sondern Leiter der Abteilung G, der Abteilung für verdeckte Ermittlungen, die politische Aktivisten wie die Irische Republikanische Bruderschaft, die Landliga und andere extremistische Gruppierungen überwacht. Sie waren doch derjenige, der im vergangenen Oktober Charles Parnell von der Irischen Nationalpartei in ›Morrisons Hotel‹ verhaftete. Dass Sie das Verschwinden meines Bruders untersuchen, spricht dafür, dass Ihre Vorgesetzten eine politisch motivierte Tat vermuten.«
    Mallon lächelte säuerlich; wahrscheinlich hatte ihm der Hinweis auf seine Vorgesetzten mißfallen. »Die

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