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Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Titel: Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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für Sprachen und Dialekte er verfügte.
    »Watson«, sagte er damals nachdenklich, »ein Name, der im Nordosten der Grafschaft Ulster weit verbreitet ist. Sie sprechen den Dialekt der Grafschaft Down. Vermutlich sind Sie ein Abkömmling der Mac Bhaididhs, eines alten schottischen Clans. Die anglisierten Varianten des Namens lauten Watson, MacWhatty oder MacQuatt.«
    »Unglaublich, Holmes!«, hatte ich erwidert. »Woran haben Sie das bloß gemerkt? Schließlich lebe ich schon seit meinem siebten Lebensjahr in England!«
    Mit einem verschmitzten Lächeln hatte er erklärt: »Elementar, mein lieber Watson. Sie haben noch immer die Angewohnheit, gegen Ende des Satzes in eine höhere Tonlage zu wechseln. Die Sprachmelodie lässt sich wesentlich schwerer ändern als die Aussprache.«
    Bei dieser Gelegenheit möchte ich daran erinnern, dass Holmes’ Erzfeinde Professor Moriarty und Colonel Moran ebenfalls aus Irland stammten. Die Redensart »gleich und gleich gesellt sich gern« erwies sich in dieser Hinsicht als äußerst treffend. Hätte ich für jeden Iren, der unseren Weg kreuzte, eine goldene 20-Shilling-Münze bekommen, so wäre ich heute ein reicher Mann. Unsere Vermieterin, Mrs. Hudson, zum Beispiel, wurde von Besuchern, die über ein weniger ausgeprägtes Sprachgefühl verfügten, aufgrund ihres Namens für eine Schottin gehalten, und Holmes, dessen Sinn für Humor gelegentlich seltsame Formen annahm, zeigte sich nicht abgeneigt, diesem Missverständnis Vorschub zu leisten, dabei war Mrs. Hudson in Wahrheit eine Irin, die einen der zahlreichen Hudsons geheiratet hatte, die in Kilbaha in der Grafschaft Kerry ansässig sind.
    Diese kurze Erläuterung mag dem geneigten Leser helfen, die außergewöhnlichen Ereignisse, die ich nun wiedergeben will, besser zu verstehen.
    An dem Tag, als ich mit Holmes nach Dublin aufbrach, kannten wir uns gerade etwas länger als ein Jahr. Das Telegramm, welches Holmes während meiner kurzen Abwesenheit empfangen hatte, lautete wie folgt:
    Mycroft entführt. Treffen Samstagvormittag Merrion Square. Superintendent Mallon, DMP.
Holmes erklärte mir, dass sich die Wohnung seines Bruders am Merrion Square befinde und dass DMP die Abkürzung für Dubliner Hauptstädtische Polizei sei.
    Wir nahmen den Zug von Paddington und die Nachtfähre nach Kingstown, dem Hafen in der Nähe von Dublin. Am frühen Morgen des 6. Mai 1882 gingen wir an Land. Es war ein Samstag. Den historisch interessierten Leser möchte ich darauf hinweisen, dass dieses Datum für die Beziehungen zwischen Irland und Britannien eine maßgebliche Rolle spielte.
    Die Überfahrt über die dunkle, sturmgepeitschte Irische See verbrachten Holmes und ich überwiegend im Gesellschaftsraum der ersten Klasse, wo wir der drohenden Seekrankheit mit Whiskey zu Leibe rückten. Dabei erzählte mir Sherlock Holmes von seinem Bruder Mycroft, der, sieben Jahre älter, ebenfalls am Trinity College studiert hatte und nun in der Finanzabteilung der britischen Verwaltung mit Sitz in Dublin Castle einen Posten als Regierungsbeamter innehatte. Holmes beschrieb seinen Bruder als geistig überaus regen, doch körperlich trägen Menschen, der sich standhaft weigerte, Sport zu treiben, so dass er bereits über eine beträchtlichen Leibesfülle verfügte.
    »Warum sollte ihn jemand entführen wollen? Ist das üblich bei den Iren?« fragte ich.
    »Nein, eigentlich nicht, aber mir ist aufgefallen, dass es derzeit politische Unruhen in Irland gibt. Hast du die Zeitungsberichte über die jüngsten Ereignisse verfolgt?«
    Ich gestand, nicht informiert zu sein und wunderte mich, dass Holmes es war, da er stets freimütig bekannte, sich nicht besonders für Politik zu interessieren.
    Nach diesem Austausch versank Holmes in brütendes Schweigen. So verlief die Fahrt mit der Dublin und South Eastern Railway von Kingstown in die Hauptstadt ohne weitere Gespräche. Nachdem wir am Bahnhof Westland Row ausgestiegen waren, führte mich Holmes, statt eine Droschke zu nehmen, zu Fuß zum eleganten Merrion Square, der, wie sich herausstellte, nur wenige hundert Meter entfernt lag. Dort angekommen, ging er auf eines der georgianischen Reihenhäuser zu und blieb vor der Tür stehen, die, wie ich bemerkte, nur angelehnt war. Holmes stieß sie vorsichtig auf und blickte ins schattige Halbdunkel des geräumigen Treppenhauses.
    »Mycroft wohnt im zweiten Stock«, erklärte mein Freund und stieg mir voran die Treppe hinauf. Neben der Wohnungstür war ein glimmendes Gaslicht

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