Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)
an Unterstützung. Seine Gönner, darunter Herzöge und andere adlige Großgrundbesitzer, fanden sich relativ schnell mit dem Status quo ab, da ihnen entweder Bestechungsgelder gezahlt oder neue Titel verliehen wurden. Seine noch verbleibende Unterstützung durch den Adel verlor der Oranier-Orden, als er sich an einer Verschwörung beteiligte, die verhindern wollte, dass Victoria den Thron bestieg, und er versuchte, seinen Großmeister, Seine Königliche Hoheit den Herzog von Cumberland, an ihrer Stelle auf den Thron zu bringen. Hinzu kamen die Katholikenemanzipation 1829, die Aufhebung einer Vielzahl von Restriktionen gegen die Katholiken, die Wahl- und Parlamentsreformgesetze, die den einfachen Leuten mehr Rechte gaben. All das hatte zur Folge, dass der Oranier-Orden beinahe verschwand. Jene, die darum kämpften, Splittergruppen davon am Leben zu erhalten, stellten fest, dass man eine breite Basis benötigte, und öffneten den Orden für alle nicht zur Staatskriche gehörenden Protestanten, so dass der Orden nun von Presbyterianern aus Ulster überflutet wurde, denen bislang die Mitgliedschaft verwehrt war. Aus Furcht vor der Vorstellung, dass in einem selbstverwalteten Irland, die Mehrheit der Bevölkerung katholisch sein würde, wurden die Protestanten immer engstirniger und radikaler.
Unbelehrbare Unionisten aus der Tory-Partei versuchten, die Irische Nationalpartei, die die Selbstverwaltung anstrebte und inzwischen von den Liberalen gestützt wurde, zu vernichten, darunter Lord Randolph Churchill. Dieser riet seinen Parteifreunden, »auf die orange Karte zu setzen«. Die Unterstützung Churchills und der Tory-Partei machten den Oranier-Orden wieder salonfähig. Anglo-irische Aristokraten und führende Torys, die sich zuvor von ihm distanziert hatten, traten dem Orden erneut bei. Der Graf von Enniskillen, der zwei Jahre zuvor zum Großmeister avanciert war, widmete sich, mit Hilfe der Torys, weiterhin der Aufgabe, Unionisten und Protestanten in ihren Herrschaftsansprüchen zu unterstützen.«
»Aber wozu solch eine raffinierte Scharade?«, fragte ich.
»Erinnerst du dich, was im November 1890 geschah? Der Bruch innerhalb der Irischen Nationalpartei war gekittet, Parnell war zum Vorsitzenden wiedergewählt worden. Man wollte im Parlament erneut als einheitliche Front auftreten. Etwas musste geschehen, um die Mitglieder von Salisburys Kabinett, die der Selbstverwaltung Irlands wohlwollend gegenüberstanden, wieder mit den Unionisten auf eine Linie zu bringen.«
»Aber einen Kardinal zu ermorden …«
»… nachdem man ihn aus Paris nach London gelockt hatte, indem man ihm einredete, er solle zwischen der Regierung und den Feniern als Vermittler fungieren …«
»… und ihn dann vorsätzlich zu töten, um andere in Verruf zu bringen … Holmes, das war ein teuflischer Plan!«
»Bedauerlicherweise, mein lieber Watson, passieren solche Dinge oft in Ländern, die ihren Geheimdiensten freie Hand lassen. Jedenfalls habe ich versagt, mein Freund. Dieser Fall ist mein schlimmster Fehlschlag.«
»Aber ich bitte dich, Holmes! Du konntest nicht wissen …«
Ich erntete lediglich einen mitleidigen Blick, fuhr aber fort: »Du darfst dir Morans Hohn nicht zu Herzen nehmen. Du hast getan, was du konntest!«
Holmes Blick war eisig. »Nein, das habe ich nicht«, entgegnete er. »Ständig predige ich dir, wie wichtig es ist, auf Details zu achten. Von Anfang an habe ich meinen eigenen Rat nicht befolgt und auf unverzeihliche Art und Weise wichtige Einzelheiten übersehen. Wäre ich achtsamer gewesen, hätte ich Moran dieses Verbrechens überführen können. Dort steht es, in Morans Brief – etwas, das mir von Anfang an bekannt war, dem ich jedoch keine Beachtung schenkte.«
Ich überflog den Brief, war aber nach erneuter Lektüre nicht klüger als zuvor.
»Die Visitenkarten, Watson, die der geheimnisvolle Besucher dem Kardinal überbringen ließ.«
»Meinst du, dass darauf der Name eines Mannes stand, der schon längst tot war? Ich wusste auch nicht, dass T. W. Tone ein falscher Name ist.«
»Darum geht es nicht. Der Name sollte uns irreführen; wir sollten glauben, wir hätten es mit irischen Republikanern zu tun. Nein, ich spreche von der Harfe. Der Gebrauch dieses Symbols sollte uns in der irrigen Annahme, der Überbringer sei irischer Nationalist, bestärken. Schließlich ist die Harfe traditionell das Wahrzeichen Irlands. Die Krone, das Symbol der britischen Herrschaft über Irland, passte nicht ins Bild.
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