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Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Titel: Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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Niemals hätte ein irischer Nationalist die Harfe mit einer Krone versehen. Ich hätte es bemerken müssen.«
    Holmes sinnierte bedrückt vor sich hin; ab und zu schüttelte er den Kopf über seine eigene Fahrlässigkeit. Dann sagte er: »Leg den Mordfall Tosca zu den Akten, Watson. Ich will nie wieder etwas darüber hören.«
    Eine Frage sollte er mir jedoch noch beantworten. »Angenom men , Moran handelte tatsächlich im Auftrag einer Organisation. Hast du eine Idee, wer sein Auftraggeber gewesen sein könnte, an wen dieser Brief gerichtet war?«
    Holmes Blick wurde sehr ernst. »Ja«, sagte er, »ich weiß, wer es war. Er starb im selben Jahr, in dem Moran für den Mord an Lord Maynooths Sohn verhaftet wurde. Erinnerst du dich, dass Moran kurz nach seiner Festnahme in Polizeigewahrsam verstarb? Angeblich war es Selbstmord. Das hätte man meines Erachtens hinterfragen müssen, aber als ich vom Tod des …« Er hielt inne und seufzte tief. »Morans Auftraggeber war ein brillanter, aber rücksichtsloser Mann. Mehr als jeder andere schürte er den Hass des Oranier-Ordens gegen die irischen Katholiken, alles, um eine Selbstverwaltung Irlands zu verhindern.«
    »Er war Mitglied der Regierung?« rief ich bestürzt.
    »Bis kurz vor diesem Vorfall war er das gewesen, aber auch danach blieb er eine einflussreiche Persönlichkeit.«
    »War es der Deckname ›Wolf Shield‹, der dir seine wahre Identität verriet?«
    »Ja, das war einfach. Da der Name angelsächsischer Herkunft ist, übersetzte ich ihn einfach zurück ins Altenglische. Doch nun möge er in Frieden ruhen, dort, wo seine Vorurteile nicht länger sein Urteil zu trüben vermögen.«
    Ich habe dem Wunsch meines alten Freundes entsprochen und den ominösen Brief zusammen mit meinen Anmerkungen über die Umstände, wie er in meine Hände geriet, in Sicherheit gebracht. Mit dem für ihn typischen trockenen Humor schlug mir Holmes vor, diesen Fall »Eine Studie in Orangerot« zu nennen, eine nicht unfreundliche Anspielung auf den seines Erachtens melodramatischen Titel, unter dem ich seinen allerersten Fall veröffentlichte, an dem ich beteiligt war.
    Morans Niederschrift befindet sich im Tresor meiner Bank am Charing Cross in einem Depeschenbehälter. Ich habe meine Testamentsvollstrecker dahingehend instruiert, dass der Behälter erst hundert Jahre nach meinem oder Holmes’ Tod geöffnet werden darf.
    Eines fehlt allerdings in meinen Aufzeichnungen, nämlich der Name von Morans Auftraggeber, aber jeder, der sich nur ein wenig mit angelsächsischen Namen auskennt, kann dieses Rätsel selbst lösen.

Das Auge Shivas
     
    Die rauen Monsunwinde rüttelten wütend an den geschlossenen Fensterläden. Das Haus des britischen Residenten stand auf einer stürmischen Anhöhe, ein Stück oberhalb vom zerklüfteten Ufer des Viswamitriflusses, dessen turbulente Wasser tosend und schäumend durch die Stadt Baroda rauschten, um sich in den breiten Golf von Khambhat zu ergießen. Die Dienerschaft hatte zum Schutz vor Regen und Sturm alle Türen und Fenster gesichert. Die Lampen brannten, und die Herren saßen noch im Esszimmer, unbeeindruckt vom zunehmenden Unwetter.
    Lady Chetwynd Miller, die Gattin des Residenten, hatte die Damen in den Salon geleitet und die Herren ihrem Portwein und ihren Zigarren überlassen. Beißende Rauchschwaden lagen in der Luft, die Karaffe wurde unter den acht Anwesenden im Uhrzeigersinn herumgereicht.
    »Nun«, bemerkte Roystan, ein Großwildjäger, der ein paar Tage Zwischenstation in Baroda machte, bevor er sich ins weiter östlich gelegene Satpura-Gebirge begeben wollte, um die Raubkatzen zu jagen, die dort zwischen schwarzen Abgründen und felsigen Höhen umherstreiften. »Nun«, wiederholte er, »ich finde, Eure Exzellenz, Sie haben uns lange genug auf die Folter gespannt. Wir wissen doch alle, dass Sie uns eingeladen haben, um ihn uns zu zeigen. Wo also ist er?«
    Alle, die um den Tisch versammelt saßen, auf dem noch die Reste des Abendessens standen, brummelten zustimmend.
    Lord Chetwynd Miller hob beschwichtigend die Hand und grinste breit. Er war ein drahtiger Mann von sechzig Jahren, der sein Leben im Dienste der britischen Regierung von Indien verbracht hatte und nun seit dem Sturz des despotischen Gaekwar von Baroda, dem Vorgänger des jetzigen Fürsten, dort Resident war. Baroda im Staat Gujarat wurde nach wie vor von einheimischen Fürsten regiert, die die Oberhoheit der britischen Regierung von Indien anerkannten, in innerstaatlichen

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