Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)
mit dem Qualm von Pfeifentabak. Es stank nach schalem Bier und Schweiß.
Ein dünner Mann mittleren Alters kam ihm entgegen und trocknete sich dabei die Hände an seiner Lederschürze. Er hatte rabenschwarzes Haar, aber sein Gesicht war so blass, dass die glattrasierten Wangen bläulich zu schimmern schienen.
»Wir haben geschlossen, Herr«, setzte er an, aber Drew unterbrach ihn mit einer gebieterischen Handbewegung und stellte sich vor. »Ich bin Konstabler der Bankside-Wache. Seid Ihr der Wirt?«
Der Mann nickte eifrig. »Jawohl, Meister, das bin ich.«
»Euer Name?«
»Pentecost Penhallow.«
Hardy Drew schnaubte verächtlich. »Nach Eurem Namen und Eurem Dialekt zu schließen, stammt Ihr aus Cornwall, nicht wahr?«
»So ist es, gnädiger Herr.«
Drew unterdrückte ein unwilliges Grummeln. Dieser Tag fing nicht gut an. Die Bewohner Cornwalls mochte er nicht. Bei dem letzten Aufstand Cornwalls gegen England war sein Großvater gefallen. Damals war er noch nicht auf der Welt gewesen, wusste aber, dass während des Tudor-Regimes viele Menschen aus Cornwall nach London gekommen waren und sich dort niedergelassen hatten. Drew war der Ansicht, dass man ihnen nicht trauen könne.
Der besagte Aufstand hatte stattgefunden, als die Engländer erzwingen wollten, dass die Gottesdienste in Cornwall auf Englisch abgehalten werden. Die kornischen Rebellen waren daraufhin in Devon einmarschiert, hatten die Vororte von Exeter eingenommen und schließlich im nahegelegenen Honiton die Truppen des Grafen von Bedford besiegt. Bei diesem Gefecht war Drews Großvater gefallen. Schließlich hatte Lord Grey den kornischen Aufstand niedergeschlagen. In den folgenden Jahren hatte man das Volk mit Feuer und Schwert systematisch unterdrückt. Diese Maßnahmen hatten allerdings nicht dazu geführt, dass in Cornwall Friede einkehrte. Im Gegenteil, die Menschen waren aufgebrachter denn je. Der englische Hof befürchtete, die Katholiken könnten einen erneuten Aufstand Cornwalls und anderer von England unterworfener Völkerschaften entfachen. Immerhin schickte Cornwall seine Priester nach wie vor zur Ausbildung nach Spanien ins Englische Priesterseminar St. Alban in Valladolid.
Drew interessierte sich für solche Themen und hatte auch John Nordens kürzlich erschienenen Bericht über Cornwall gelesen. Dabei hatte er unter anderem erfahren, dass man im westlichen Teil Cornwalls weiterhin Kornisch sprach. Er hielt es für ratsam, über potenzielle Feinde des Königreichs auf dem Laufenden zu bleiben, zumal sich diese heutzutage in jener menschlichen Jauchgrube, zu der London verkommen war, zu versammeln pflegten.
Er merkte, dass der Wirt ungeduldig darauf wartete, die Unterredung fortzusetzen.
»Nun, Herr Pentecost Penhallow«, sagte er barsch, »warum habt Ihr mich rufen lassen?«
»Wenn Ihr so freundlich wäret, nach oben zu gehen, werdet Ihr den Grund finden. Einer meiner Logiergäste wurde lebensgefährlich verletzt.«
Hardy Drew hob fragend eine Augenbraue. »Lebensgefährlich verletzt? Der Junge sagte, man habe den Mann niedergestochen. Wie kam es dazu? Gab es einen Kampf?«
»Nein, nein, Herr Konstabler. Er war ein Gentleman und wusste sich zu benehmen. Er war sogar Abstinenzler. Heute morgen habe ich ihm wie immer sein Frühstück aufs Zimmer gebracht. Ohne Frühstück ist er nie aus dem Haus gegangen. Er lag noch im Bett, und die Laken waren voller Blut. Jemand hat auf ihn eingestochen.«
»Lebte er noch?«, fragte Drew erstaunt.
»Ja, gerade noch, Herr, gerade noch.«
»Gütiger Himmel!«, stieß Drew gereizt hervor. »Warum habt Ihr nach mir geschickt und nicht nach einem Medikus?«
Pentecost Penhallow schüttelte heftig den Kopf. »Natürlich haben wir sofort den Medikus geholt. Er ist oben beim Patienten. Er war es, der nach Euch geschickt hat.«
»Wie heißt der Herr, und wo ist sein Zimmer?«, fragte Drew.
Der Wirt deutete mit einer Kopfbewegung zur Treppe. »Keeling heißt er. Will Keeling. Zweite Tür rechts.«
Drew eilte die Treppe hinauf. Auf dem Absatz stieß er fast mit einem jungen Mädchen zusammen, das die Arme voller Bettwäsche hatte. Er fing sich noch rechtzeitig, aber dem Mädchen fielen einige Laken aus der Hand. Der Konstabler bückte sich und hob sie auf. Das junge Mädchen war höchstens siebzehn Jahre alt und außergewöhnlich hübsch, mit dunklen Locken. Sie knickste und sagte:
» Murasta, mester. «
. Dann fügte sie mit leichtem Akzent hinzu: »Danke, gnädiger Herr.«
Der Konstabler nickte
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