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Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Titel: Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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Monat hatte man, um die Wogen zu glätten, Andrew Melville, einen führenden Vertreter der schottischen Reformation, aus dem Tower von London entlassen. Der König hatte einräumen müssen, dass sein Bemühen, die Macht der Generalversammlung der presbyterianischen Kirche zu brechen, gescheitert war. Melvilles Freilassung, durch die man die Presbyterianer besänftigen wollte, trug eher dazu bei, die Stimmung anzupeitschen, so dass er schließlich ins französische Exil floh und dort, so erzählte man sich, Rachepläne schmiedete. James war es also auch nicht gelungen, den englischen Puritanern seinen Willen aufzuzwingen.
    Die Königreiche England und Schottland wurden wieder und wieder von umstürzlerischen Komplotten erschüttert. Erst vor wenigen Monaten hatte man erneut versucht, Jakobs Kusine Arabella Stuart auf den Thron zu bringen. Das Ergebnis war, dass die bedauernswerte Dame seither im Tower von London inhaftiert war.
    Es waren gefährliche Zeiten. Darüber sinnierte auch Hardy Drew, während er den Zorn der Puritaner im Zaum zu halten versuchte. Selbst für einen Konstabler barg die politische Lage allerlei Tücken. So mancher könnte auf die Idee verfallen, ihn des falschen Glaubens zu bezichtigen, um selbst in den Genuss seines Postens und der geringen Einnahmen zu kommen.
    Das Klopfen wurde lauter. Drew stöhnte und hievte sich aus dem Bett. »Potzblitz!« stieß er hervor. »Musst du einer armen Seele derart zusetzen? Komm herein! Hoffentlich hast du einen guten Grund, solchen Lärm zu machen.«
    Die Tür wurde einen Spaltbreit geöffnet, und ein schmutziges Kindergesicht lugte hindurch. Drew fixierte den Jungen mit stechendem Blick. »Was fällt dir ein, mich so unsanft zu wecken, du Dreikäsehoch?«, knurrte er.
    Der Junge schien sich nicht hineinzuwagen. »Gott vergelt’s, mein Herr«, rief er, »man hat mich geschickt, um Euch zu sagen, dass ein Gentleman überfallen wurde und im Sterben liegt.«
    Konstabler Drew blinzelte und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. »Ein Gentleman wurde …? Wer schickt dich, mein Kind?«
    »Der Wirt vom ›Red Boar‹ in der Clink Street, Meister … Meister Pen… Pen… Irgendein ausländischer Name. Er fällt mir nicht mehr ein.«
    »Und was genau lässt dieser Meister Pen ausrichten?«, fragte Drew geduldig.
    »Dass Ihr schnell kommen sollt, weil der Gentleman niedergestochen wurde und bald sterben wird.«
    Drew seufzte und bedeutete dem Jungen, sich zu entfernen. »Sag ihm, ich bin gleich da.«
    Wenn die Nachricht nicht gelautet hätte, dass ein
Gentleman
niedergestochen worden war, hätte sich Drew sofort wieder zur Ruhe begeben. In London wurde ständig irgendjemand niedergestochen, in einem Wirtshaus, einer Gasse, am Ufer des übelriechenden Flusses. Meist waren die Opfer Angehörige der niederen Stände, die kaum jemand vermissen, geschweige denn ihnen eine Träne nachweinen würde, jedenfalls niemand, auf den es ankam. Da es sich in diesem Fall aber um einen Gentleman handelte, war der Fall wichtig genug, um einen Konstabler der Wache aus seinem warmen Bett zu holen.
    Hardy Drew spritzte sich kaltes Wasser aus der Waschschüssel ins Gesicht und kleidete sich eilig an. Unten im Gastraum bestellte er einen Krug Bier für einen halben Penny, um sich die trockene Kehle zu benetzen. Draußen kaufte er von einem fliegenden Händler einen Apfel zum Frühstück.
    Clink Street, eine schmale Straße an der Themse, war nicht weit entfernt. Sie befand sich an der sogenannten Bankside, Wachtmeister Drews Revier. Das »Red Boar Inn« war ihm ein Begriff, aber er hatte bisher keine Gelegenheit gehabt, das Gasthaus zu besuchen. Eigentlich hatte das »Red Boar« die Bezeichnung »Gasthaus« nicht verdient, handelte es sich doch um nichts weiter als um eine jener Schenken an der Themse, die von dubiosen Gestalten frequentiert wurde.
    Als er ankam, hatte sich draußen vor der Tür eine Menschenmenge versammelt. Ein kleiner Junge schien Volksreden zu schwingen, wobei er wild gestikulierte und mit der Hand auf ein bestimmtes Fenster deutete. Zweifellos war es das Bürschlein, das ihm die Nachricht überbracht hatte. Als er den Konstabler sah, wies er mit dem Finger auf ihn und krähte: »Das isser!« Die Umherstehenden wichen ehrerbietig zurück, um Drew Platz zu machen. Der Konstabler stieß die dunkle Holztür auf und trat ein.
    Obwohl es ein klarer, sonniger Tag war, brannten im Schankraum die Kerzen. Dennoch war das Licht trüb, Rauch von den Kerzen vermischte sich

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