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Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Titel: Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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ihr zu und ging weiter zum Zimmer, das ihm der Wirt genannt hatte. Ein Mann mit schmalem Gesicht und dichtem weißen Haarschopf saß auf der Bettkante. Er trug einen Anzug aus Broadcloth, einem schwarzen Wollstoff, was ihn wie einen puritanischen Geistlichen wirken ließ.
    Auf den Kissen ruhte ein bleicher junger Mann. Das Bettzeug war blutgetränkt, ebenso die Tücher, die er sich an die Brust drückte.
    Der schwarzgekleidete Mann blickte auf. »Endlich! Ihr kommt keinen Augenblick zu früh, Konstabler. Der Patient hat nur noch wenige Sekunden zu leben.«
    Drew kannte den alten Medikus und begrüßte ihn, ehe er ans Bett trat. »Gott möge Euch einen guten Morgen bescheren, Doktor Tate«, bemerkte er ironisch.
    Der junge Mann war tatsächlich kaum mehr bei Bewusstsein. Offenbar hatte er hohes Fieber. Seine Haut hatte jene bläuliche Färbung angenommen, die ein sicherer Vorbote des Todes ist.
    »Herr Keeling«, sagte Drew mit lauter Stimme und beugte sich dicht über den Sterbenden. »Wer hat Euch das angetan? Wer hat Euch niedergestochen?«
    Zwar waren die Augen des jungen Mannes geöffnet, aber sein Blick schweifte ziellos durch den Raum. Er murmelte undeutlich vor sich hin. Der Konstabler beugte sich noch tiefer zu ihm hinab. Nun konnte er die Worte fast verstehen. Die Aussprache ließ auf eine höhere Bildung schließen.
    »Was sagt Ihr, junger Mann? Sprecht bitte deutlicher, wenn’s geht!«
    Die Lippen des Jünglings bebten. »Oh! Eine Feuermuse … die hinan … den hellsten Himmel der Erfindung …«
    Drew runzelte die Stirn. »Kommt, mein Bester, versucht doch, mir zu folgen. Meine Frage ist ganz einfach: Welcher Schuft hat Euch das angetan?«
    Die Augen des Mannes glitzerten. Plötzlich ergriff er Drews Mantel mit einer Kraft, die man einem Sterbenden kaum zugetraut hätte. Seine Lippen bewegten sich, die Stimme war kräftiger als zuvor. »Noch einmal stürmt …« Er hustete und spuckte Blut. Plötzlich rief er laut: »Das Wild ist auf!«
    Dann verstummte er. Die blassblauen Augen flackerten, richteten sich auf das Gesicht des Konstablers. Die Pupillen verengten sich, als der Verletzte für den Bruchteil einer Sekunde die schreckliche Tatsache begriff, dass er dem Tod gegenüberstand.
    Drew löste mit einem Seufzer die Hand, die noch immer seinen Mantel umklammerte, und legte sie sanft neben den Körper. Leise flüsterte er vor sich hin: »Nun lasset euch gemahnen eine Zeit, wo schleichend Murmeln und das späh’nde Dunkel des Weltgebäudes weite Wölbung füllt…«
    »Wie bitte?«, fragte der alte Medikus mürrisch.
    »Schon gut.« Hardy Drew erhob sich und trat beiseite. »Ich denke, seine Zeit ist um.« Es hätte der flüchtigen Untersuchung des Arztes nicht bedurft, um den Tod festzustellen.
    »Was ist die Todesursache?« wollte Drew wissen.
    »Er wurde mit einem Messer niedergestochen«, entgegnete der Medikus. »Dort auf dem Tisch liegt es. Es steckte noch in der Wunde, als ich eintraf. Man hat es ihm treffsicher in die Brust gestochen. Ich vermute, die Verletzung hat zu inneren Blutungen geführt, wobei das Blut jedoch so langsam floss, dass das Opfer noch einige Stunden zwischen Leben und Tod verweilte.«
    »Er hat sich die Verletzung wohl kaum selbst zugefügt?«
    »Keinesfalls. Außerdem ist, wie Ihr seht, das Fenster geöffnet. Es wäre für den Mörder nicht schwer, hinaufzuklettern und sich Zutritt zu verschaffen.«
    »Ihr habt eine gute Beobachtungsgabe, Doktor Tate«, bemerkte Drew mit einem verkniffenen Lächeln. »Zieht Ihr womöglich den Posten des Konstablers in Betracht?«
    Der Medikus lachte. »Ich doch nicht! Ich bin auf ein gutes Einkommen angewiesen.«
    Drew drehte und wendete indessen das Messer und betrachtete es eingehend. Es erwies sich als wenig aufschlussreich. »Billige Ware«, befand er. »Jeder kleine Eierdieb, der entlang der Themse sein Unwesen treibt, könnte ein solches Messer besitzen. Es bringt mich nicht weiter.«
    Doktor Tate deckte den Leichnam mit dem blutbefleckten Laken zu. »Armer Kerl«, sagte er. »Ich habe nicht verstanden, was er da erzählte. Vermutlich hat er im Fieberwahn phantasiert.«
    »Möglich. Aber seine Phantasien hatten Hand und Fuß.«
    Tate blickte ratlos drein. »Inwiefern?«
    »Ich nehme an, Ihr besucht eher selten das Globe-Theater. Er rezitierte Zeilen aus Meister Shakespeares Stück »König Heinrich V.«.
    »Ich hätte nicht gedacht, dass Ihr ein regelmäßiger Theaterbesucher seid!«
    »Das zählt zu den Privilegien meines Berufs«,

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