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Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Titel: Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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Eheversprechen gegenüber der jungen Dame aus der »Boar’s Head Tavern« in Eastcheap gebrochen hatte. Wie Meister Drew bemerkte, war »The Vow Breaker Delivered« ein geradezu prophetischer Titel gewesen, wie ihn nur Bardolph Zenobia hatte wählen können.
    Der zweite Darsteller, der bei der Einweihung fehlte, war Toby Teazle.
    Genau einen Tag nach der Eröffnung des neuen Globe konnte Drew den Mordfall Oliver Rowe zu einem erfolgreichen Abschluss bringen.
    Von Cuthbert Burbage aufgefordert, ihn zum Hospital of Saint Mary of Bethlehem zu begleiten, zeigte sich Drew einigermaßen überrascht. »Das ist doch eine Irrenanstalt«, wandte er ein. Den meisten Londonern war »Bedlam«, wie die Anstalt im Volksmund genannt wurde, durchaus ein Begriff.
    »Ich weiß. Man hat mich gebeten, einen der Insassen zu identifizieren, und ich dachte, die Person könnte für Euch von Interesse sein.«
    Ein Wärter führte sie durch das graue Gemäuer, das mehr einem Gefängnis als einem Krankenhaus glich. Der Gestank menschlicher Exkremente und das ohrenbetäubende Geschrei der bedauernswerten Insassen waren kaum zu ertragen. Der Wärter schloss eine kleine Zellentür auf. In der Finsternis kauerte ein junger Mann vor einem groben Holztisch. Die Tischplatte war leer, und dennoch schien der Jüngling etwas zu schreiben. Seine unsichtbare Feder bewegte sich in der Dunkelheit über das imaginäre Papier.
    »Das ist er, meine Herren«, erklärte der Wärter feixend. »Hält sich für einen berühmten Schauspieler und Stückeschreiber. Er behauptet, er wäre einer der ›King’s Players‹ aus dem Globe-Theater. Deshalb haben wir nach Euch gerufen, verehrter Herr Burbage. Nur für den Fall, dass was Wahres dran ist.«
    Beim Klang seiner Stimme hob der junge Mann den Kopf. Seine Haare waren verfilzt, seine Augen blitzten, und sein Mund verzog sich zu einem idiotischen Grinsen.
    Es war Toby Teazle.
    »Meine Herren«, sagte er leise und blickte ihnen huldvoll entgegen. »Ihr kommt keinen Augenblick zu früh. Ich habe soeben ein wundervolles Stück vollendet. Der Titel lautet ›Des Freundes Verrat‹. Ich werde Euch gestatten, es aufzuführen, aber nur, wenn mein Name auf dem Programm erscheint.« Er schaute erst Burbage, dann Drew mit starrem Blick an, ehe er zu rezitieren begann:
    »Zehn gegen eins, dass unser Spiel nicht allen
    Behaglich war. Der schlief mit Wohlgefallen
    Zwei Akte durch; da weckt ihn ungebührlich
    Kanonendonner, Lärm: nun heißt’s natürlich
    ›Das Stück ist schlecht … schlecht‹«
     
    Er zögerte, legte die Stirn in Falten und starrte verwirrt auf den leeren Tisch. »Ist es das wirklich? Schlecht?« Dann brach er in hysterisches Gekicher aus.
    Auf dem Weg zurück nach Bankside fragte Drew: »Sagt, stammten die Zeilen, die er so leidenschaftlich deklamierte, aus seiner eigenen Feder?«
    Burbage schüttelte traurig den Kopf. »Nein, das war der Epilog aus ›König Heinrich VIII.‹, jedenfalls zu großen Teilen. Der arme Junge ist nichts als ein Wahnwitziger.«
    Konstabler Drew lächelte dünn. »Sagte nicht Will Shakespeare einmal: ›Wahnwitzige, Poeten und Verliebte bestehn aus Einbildung‹?«

Das Wild ist auf!
     
    »… das Wild ist auf …«
    William Shakespeare,
    König Heinrich V.,
    Dritter Akt, Erste Szene
     
    Als Hardy Drew, Konstabler der Bankside-Wache, an diesem Morgen von einer schrillen Knabenstimme und unablässigem Gepolter an seiner Zimmertür geweckt wurde, war seine Stimmung nicht die beste. Er war erst in den frühen Morgenstunden in sein Zimmer in der Wink Tavern in der Pepper Street zurückgekehrt, nachdem er die halbe Nacht damit zugebracht hatte, den Volksaufstand vor der Southwark-Kathedrale zu zerstreuen. Es war eine gut organisierte Protestveranstaltung gewesen, die sich gegen die Veröffentlichung der sogenannten King-James-Bibel wandte. Die Bibel war im Auftrag König Jakob I. von fünfzig Gelehrten aus angesehenen Universitäten übersetzt worden und sollte fortan in seinen Königreichen als Standardbibel dienen.
    Konstabler Drew hatte zwar vorhergesehen, dass die Katholiken jede Gelegenheit nutzen würden, um ihrer Empörung Luft zu machen, aber mit den organisierten Protesten der Puritaner hatte er nicht gerechnet.
    Nicht nur, dass in diesem Jahr Gerüchte über papistische Verschwörungen kursierten; auch die Aktivitäten protestantischer Sektierer waren gewalttätiger als bisher. König Jakobs moderates episkopalisches Regime missfiel den Puritanern. Erst im vergangenen

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