Das Flüstern des Windes (German Edition)
konnte, aber der Schmerz ließ nicht nach. Das Vieh fraß weiter an ihm. Und dann kamen die anderen. Dutzende von ihnen.
Und Daniel begriff, dass sich Adam mit der Wirkungsdauer des Betäubungsmittels nicht verrechnet hatte. Er sollte bei lebendigem Leib aufgefressen werden, während seine wiederkehrende Kraft ihm die immer neue Hoffnung vorspiegelte, er könne vielleicht doch noch entkommen.
Der Schmerz war ein schwarzer Fluss und Daniel trieb auf ihm dahin. Die Ratten fielen nun in Horden über ihn her. Mit eisernem Willen und fast übermenschlicher Anstrengung schaffte es Fischer, sich auf den Bauch zu wälzen.
Seine Arme lagen neben ihm wie die Flossen eines Seehundes. Durch die heftige Bewegung erschreckt, zogen sich die Ratten in den Schatten der Höhle zurück. Ihr aufgeregtes Fiepen kreischte in Fischers Ohren.
Daniel zog sein rechtes Bein an, stemmte den Fuß gegen den Höhlenboden und schob sich ein Stück vorwärts. Es waren nur zehn Zentimeter, aber es waren zehn Zentimeter Hoffnung. Sein linkes Bein lag ausgestreckt in unnatürlichem Winkel. Feuer und Eis flossen darin, aber es war nutzlos, nur noch Schmerz, der nach Linderung schrie.
Stirb nicht, dachte er. Kämpfe. Kämpfe um dein Leben.
Wieder zog er sein rechtes Bein an und kroch vorwärts. Beide Hände schrammten mit den Handrücken über den rauen Stein.
Bein anziehen. Abstoßen. Anziehen. Abstoßen. Die Haut in seinem Gesicht blätterte ab. Blutige Spuren wiesen den Weg, den er zurückgelegt hatte.
Nach dreißig Minuten hatte er vier Meter geschafft. Schweiß lief über sein verschmutztes, blutverschmiertes Gesicht. Er war vollkommen erschöpft, atmete hechelnd, stöhnte, ohne es zu bemerken.
Ausruhen, dachte er. Ich muss mich ausruhen.
Er wollte zurück in die Dunkelheit einer tröstenden Ohnmacht fliehen, dann hörte er einen durchdringenden Pfiff. Tippeln, kleine Pfoten, die über Stein kratzten. Die Ratten waren zurück.
Daniel krümmte in Panik seinen Körper und schnellte nach vorn, aber diesmal ließen sich die Ratten nicht davon beeindrucken. Ihr Angriff kam blitzartig und war gut koordiniert. Ein Teil der Nager fiel über seine Beine her, während die größere Gruppe sich Arme und Hände vornahm. Krämpfe durchzuckten Fischers Leib, während sich spitze Zähne über sein Fleisch hermachten.
Ein besonders großes Exemplar, schwarz, mit kahler Stelle über der Schnauze, biss ihm ins Ohr. Fischer warf den Kopf herum. Er war nur noch ein Tier, das um sein Leben kämpfte. Eine Beute, die keine Beute sein wollte. Sein Mund öffnete sich, schnappte nach vorn. Daniels Zähne schlugen sich in den Körper der Ratte. Rasend vor Schmerz schüttelte er den schwarzen, haarigen Leib, bis ein deutliches Knacken ihm verriet, dass er seinem Feind die Wirbelsäule gebrochen hatte. Die Ratte schrie fast menschlich auf, dann starb sie zwischen Fischers Zähnen, von denen bitter schmeckendes Blut troff. Wie auf einen nicht hörbaren Befehl hin, zog sich der Rest der Horde zurück.
Fischer ließ die tote Ratte fallen und erbrach sich würgend. Er weinte hemmungslos.
Als die Tränen versiegten, lachte er.
Dann gab er sich dem Wahnsinn hin.
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