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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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der letzte, der sich darüber wundern dürfte, Jacopo. Die Welt der Maschinen sucht das Geheimnis der Schöpfung wiederzufinden: Buchstaben und Zahlen.«
    Garamond sagte nichts. Er hatte die Hände gefaltet, als ob er betete, und hielt die Augen am Himmel gerichtet. Dann klatschte er plötzlich die Hände zusammen: »Meine Herren, alles, was Sie heute gesagt haben, bestätigt mich in einem Gedanken, den ich seit ein paar Tagen... Aber alles zu seiner Zeit, ich muß noch darüber nachdenken. Machen Sie vorerst weiter so. Bravo, Casaubon, wir werden auch Ihren Vertrag noch mal ansehen, Sie sind ein wertvoller Mitarbeiter. Und tun Sie, tun Sie mir viel Kabbala und Computer rein. Computer macht man doch aus Silizium, oder?«
    »Aber Silizium ist kein Metall, sondern ein Metalloid.«
    »Wollen Sie mir jetzt mit Spitzfindigkeiten über Worten-dungen kommen? Was soll das, rosa rosarum? Computer rein! Und Kabbala!«
    »Die kein Metall ist«, insistierte ich.
    Er begleitete uns zur Tür. Auf der Schwelle sagte er zu mir:
    »Casaubon, das Büchermachen ist eine Kunst, keine Wissenschaft. Spielen wir nicht die Revolutionäre, die Zeiten sind vorbei. Tun Sie Kabbala rein. Ach, übrigens, bei Ihren Reise-spesen habe ich mir erlaubt, den Liegewagen abzuziehen.
    Nicht aus Geiz, ich hoffe, Sie nehmen mir das ab. Sondern weil die Forschung sich eines gewissen — wie soll ich sagen 306
    — spartanischen Geistes befleißigen muß. Sonst wird sie un-glaubwürdig.«
    Ein paar Tage später bestellte er uns wieder in sein Büro. Er habe da einen Besucher, sagte er zu Belbo, mit dem er uns gerne bekannt machen würde.
    Wir gingen hinüber. Garamond unterhielt sich mit einem beleibten Herrn, der ein Gesicht wie ein Tapir hatte, blonder Schnurrbart unter einer großen Tiernase und kein Kinn. Er kam mir gleich irgendwie bekannt vor, dann erinnerte ich mich: es war der Professor Bramanti, den ich in Rio gehört hatte, der Referent oder was auch immer jenes Ordens vom Rosenkreuz.
    »Herr Professor Bramanti behauptet«, sagte Garamond,
    »es sei der rechte Moment für einen gewitzten Verlag mit Gespür für den Zeitgeist, eine Buchreihe zum Thema okkulte Wissenschaften zu initiieren.«
    »Für... Manuzio«, warf Belbo ein.
    »Für wen sonst?« lächelte Signor Garamond verschmitzt.
    »Herr Professor Bramanti, der mir unter anderem von einem teuren Freund empfohlen wurde, nämlich von Doktor De Amicis, dem Autor jener großartigen Chroniken des Zodiaks, die wir letztes Jahr herausgebracht haben, beklagt, daß die wenigen Reihen, die es zu diesem Thema gebe — fast alle bei Verlagen von geringer Seriosität und Zuverlässigkeit, notorisch oberflächlich, unaufrichtig, unkorrekt, ich sage noch mehr, ungenau —, daß diese Reihen dem Reichtum und der Tiefe dieses Studiengebietes nicht annähernd gerecht würden.«
    »Die Zeit ist reif für eine Neubewertung der Kultur der Inaktualität, nach dem Scheitern der Utopien der modernen Welt«, sagte Bramanti.
    »Sie sagen da große Dinge, Herr Professor. Aber verzeihen Sie bitte unsere — nun ja, ich sage nicht Ignoranz, aber doch Unvertrautheit mit diesen Dingen: An was genau denken Sie, wenn Sie von okkulten Wissenschaften sprechen? An Spiritismus, Astrologie, Schwarze Magie?«
    Bramanti machte eine abwehrende Gebärde: »O nein, wo denken Sie hin! Das sind doch nur Märchen, die man den Einfältigen erzählt. Ich spreche von Wissenschaften, wenn auch von okkulten. Gewiß, auch von Astrologie, wenn nö-
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    tig, aber nicht um der kleinen Bürotippse zu sagen, daß sie nächsten Sonntag den Mann ihres Lebens treffen werde. Ich denke eher an eine seriöse Studie über die Dekane, um nur soviel zu sagen.«
    »Verstehe. Wissenschaftlich. Die Sache liegt schon auf unserer Linie, aber könnten Sie sich ein bißchen erschöpfender äußern?«
    Bramanti lehnte sich in den Sessel zurück und ließ die Augen durch den Raum schweifen, als suche er astrale In-spirationen. »Beispiele ließen sich geben, gewiß. Ich würde sagen, der ideale Leser einer solchen Reihe müßte ein Adept der Rosenkreuzer sein, mithin ein Experte in magiam, in ne-cromantiam, in astrologiam, ingeomantiam, in pyromantiam, in hydromantiam, in chaomantiam, in medicinam adeptam, um das Buch Azoth zu zitieren — jenes, das dem Staurophoros von einem mysteriösen Mädchen überreicht wurde, wie im Rap-tus philosophorum berichtet. Doch die Kenntnis des wahren Adepten umfaßt noch andere Gebiete. Da wäre die Physio-gnosis zu nennen, die

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