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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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mach’s gleich heute abend. Helfen Sie mir noch einen Moment. Nehmen Sie aufs Geratewohl zwei Dutzend dieser Blätter vom Boden, lesen Sie mir den ersten Satz vor, auf den 447
    Ihr Blick fällt, und den gebe ich dann als Datum ein.«
    Ich bückte mich und nahm ein Blatt: »Joseph von Arimathia bringt den Gral nach Frankreich.«
    »Hervorragend, ist notiert. Weiter!«
    »Nach der templerischen Tradition hat Gottfried von Bouillon in Jerusalem das Großpriorat von Zion gestiftet.
    Debussy war ein Rosenkreuzer.«
    »Entschuldigung«, sagte Diotallevi, »aber man muß auch ein paar neutrale Daten einfügen, zum Beispiel: Der Koala lebt in Australien, oder: Papin ist der Erfinder des Dampf-kochtopfs.«
    »Minnie ist die Verlobte von Mickymaus«, schlug ich vor.
    »Übertreiben wir nicht.«
    »Doch, übertreiben wir. Wenn wir anfangen einzuräumen, daß auch nur eine einzige Gegebenheit im Universum existieren könnte, die nicht etwas anderes enthüllt, sind wir schon außerhalb des hermetischen Denkens.«
    »Stimmt. Also rein mit Minnie. Und wenn ihr gestattet, ich würde ein fundamentales Grunddatum einfügen: Die Templer sind immer im Spiel.«
    »Keine Frage«, bestätigte Diotallevi.
    Wir machten noch ein halbes Stündchen so weiter. Dann war es wirklich spät. Aber Belbo sagte, wir sollten ruhig gehen, er werde allein weitermachen. Gudrun kam herein, um zu sagen, sie werde jetzt abschließen, Belbo teilte ihr mit, daß er noch arbeiten wolle, und bat sie, die Papiere vom Boden aufzulesen. Gudrun grummelte einige Laute, die ebensogut zum flexionslosen Latein wie zum entlegensten Cheremis gehören konnten und wohl in beiden Mißbilligung und Ver-druß ausdrückten — ein Zeichen für die universale Verwandtschaft aller Sprachen, die allesamt von einer einzigen adamitischen Ursprache abstammen. Doch sie gehorchte und randomisierte besser als jeder Computer.
    Am nächsten Morgen empfing uns Belbo strahlend. »Es funktioniert«, rief er. »Es funktioniert und erbringt unverhoffte Resultate. Hier, bitte sehr.« Er reichte uns den gedruckten Output.
    Die Templer sind immer im Spiel.
    448
    Das Folgende ist nicht wahr:
    Jesus ist unter Pontius Pilatus gekreuzigt worden.
    Der weise Hormus gründete in Ägypten die Rosenkreuzer.
    Es gibt Kabbalisten in der Provence.
    Wer vermählte sich auf der Hochzeit zu Kana?
    Minnie ist die Verlobte von Mickymaus.
    Daraus folgt, daß
    Wenn
    Die Druiden verehrten schwarze Jungfrauen,
    Dann
    Simon Magus erkennt die Sophia in einer Prostituierten von Tyrus.
    Wer vermählte sich auf der Hochzeit zu Kana?
    Die Merowinger nannten sich Könige von Gottes
    Gnaden.
    Die Templer sind immer im Spiel.
    »Ein bißchen konfus«, meinte Diotallevi.
    »Du mußt die Verbindungen sehen. Und bitte beachte die zweimal auftauchende Frage: Wer vermählte sich auf der Hochzeit zu Kana? Die Wiederholungen sind magische Schlüssel. Natürlich hab ich’s ein bißchen vervollständigt, aber die Wahrheit zu vervollständigen ist das Recht des Initiierten. Hier also meine Interpretation: Jesus ist nicht gekreuzigt worden, und deshalb spuckten die Templer auf das Kruzifix. Die Sage des Joseph von Arimathia enthält eine tiefere Wahrheit: Jesus, und nicht der Gral, ist in Frankreich bei den provenzalischen Kabbalisten gelandet. Jesus ist die Metapher des Königs der Welt, des wirklichen Gründers der Rosenkreuzer. Und mit wem ist Jesus in Frankreich gelandet? Mit seiner Gattin! Warum wird in den Evangelien nicht gesagt, wer sich auf der Hochzeit zu Kana vermählte? Nun, weil es die Hochzeit Jesu war, eine Hochzeit, von der man nicht sprechen durfte, weil er eine öffentliche Sünderin ehe-lichte, nämlich Maria Magdalena. Deshalb suchen seither alle Erleuchteten, von Simon Magus bis zu Guillaume Postel, das Prinzip des Ewig Weiblichen in den Bordellen. Und deshalb ist Jesus der wahre Stammvater des französischen Königshauses.«
    449

66
    Wenn unsere Hypothese zutrifft, war der Heilige Gral... das Geschlecht und die Nachkommenschaft Jesu, das »Sang real« oder »Königsblut«, dessen Hüter die Templer waren... Zugleich
    mußte der Heilige Gral im Wortsinne das Gefäß
    sein, welches das Blut Jesu aufgenommen und
    enthalten hatte. In anderen Worten, er mußte der Schoß der Magdalena sein.
    M. Baigent, R. Leigh, H. Lincoln, The Holy Blood and the Holy Grail, London, Cape, 1982, XIV
    »Hm«, machte Diotallevi, »niemand würde dich ernst nehmen.«
    »Im Gegenteil, man könnte ein paar hunderttausend Exemplare davon

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