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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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erneut auf den Gedanken der versäumten Gelegenheit gekommen war, und damit auf sein Verzichtgelöbnis als Strafe für seine Unfähigkeit, den richtigen Augenblick — falls es ihn je gegeben hatte — zu ergreifen. Den Großen Plan begann er, weil er sich damit abgefunden hatte, fiktive Augenblicke zu konstruieren.
    Ich hatte ihn nach einem Text gefragt, ich weiß nicht mehr welchem, und er hatte auf seinem Schreibtisch gekramt, in einem Stapel von abenteuerlich hochgetürmten, ohne Rücksicht auf Schwere und Größe übereinandergehäuften Manuskripten. Nach einer Weile hatte er den gesuchten Text entdeckt und versucht, ihn herauszuziehen, wobei der ganze Stapel ins Kippen geraten und vom Tisch gestürzt war. Die 445
    Mappen waren aufgegangen, und die losen Blätter hatten sich kunterbunt durcheinander über den Boden verstreut.
    »Wär’s nicht besser gewesen, Sie hätten erst mal die obere Hälfte abgehoben?« fragte ich ihn. Verlorene Liebesmüh, er machte es immer so.
    Und er antwortete unweigerlich: »Das sammelt Gudrun heute abend auf. Sie muß schließlich eine Aufgabe im Leben haben, sonst verliert sie ihre Identität«
    Diesmal war ich jedoch persönlich an der Rettung der Manuskripte interessiert, da ich nun zum Hause gehörte. »Aber Gudrun ist nicht imstande, sie wieder richtig zu ordnen. Sie wird die falschen Blätter in die falschen Ordner legen.«
    »Wenn Diotallevi Sie hörte, würde er frohlocken. So kommen andere Bücher zustande, eklektische, zufällige. Das liegt in der Logik der Diaboliker.«
    »Aber wir wären in der Situation der Kabbalisten. Jahrtausende, um die richtige Kombination zu finden. Mit Ihrer Methode setzen Sie einfach Gudrun an die Stelle des Affen, der in Ewigkeit auf der Schreibmaschine herumhackt. Der Unterschied liegt nur in der Dauer. Vom Standpunkt der Evolution aus hätten wir nichts gewonnen. Gibt es kein Programm, das Abulafia befähigt, diese Arbeit zu tun?«
    Inzwischen war Diotallevi hereingekommen.
    »Klar gibt es eins«, sagte Belbo, »und theoretisch erlaubt es die Eingabe von bis zu zweitausend Daten. Man muß sich nur hinsetzen und sie schreiben. Angenommen, die Einga-bedaten sind Verse möglicher Gedichte. Das Programm fragt, wie viele Verse ein Gedicht haben soll, und Sie entscheiden zehn, zwanzig, hundert. Dann nimmt das Programm die Zahl der Sekunden aus der Uhr im Computer und randomisiert sie, was in einfachen Worten heißt: es ge-winnt daraus eine Formel für immer neue Kombinationen.
    Mit zehn Versen können Sie Tausende und Abertausende von Zufallsgedichten bekommen. Gestern habe ich ein paar Verse eingegeben, solche wie Füllest wieder Busch und Tal, Schwer sind meine Lider, Krächzt der Rabe: Nimmermehr, Wenn die Aspidistra wollte, Reich mir die Hand, mein Leben und dergleichen. Hier ein paar Resultate.«
    Ich zähle die Nächte, es tönt das Sistrum
    Jenseits des Heckenzaunes
    446
    Jenseits des Heckenzaunes...
    Wenn die Aspidistra wollte...
    Aus dem Herzen der Dämmrung (o Herz),
    du linkischer Albatros
    (wenn die Aspidistra wollte...)
    Jenseits des Heckenzaunes.
    Füllest wieder Busch und Tal,
    ich zähle die Nächte, es tönt das Sistrum,
    krächzt der Rabe: Nimmermehr
    Füllest wieder Busch und Tal.
    »Natürlich gibt es Wiederholungen, das war nicht zu vermeiden, es sieht so aus, als würde das Programm sonst ein bißchen zu kompliziert. Aber auch die Wiederholungen haben einen poetischen Sinn.«
    »Interessant«, meinte Diotallevi. »Das versöhnt mich mit deiner Maschine. Demnach, wenn ich ihr die ganze Torah eingeben und dann befehlen würde, sie — wie heißt der Ausdruck? — zu randomisieren, dann würde sie echte Temurah machen und die Verse des Buches ganz neu kombinieren?«
    »Sicher, ist nur eine Frage der Zeit. In ein paar Jahrhunderten wärst du fertig.«
    »Aber«, sagte ich, »wenn man statt dessen ein paar Dutzend Kernsätze aus den Werken der Diaboliker eingibt, zum Beispiel Die Templer sind nach Schottland geflohen, oder Das Corpus hermeticum gelangte 1460 nach Florenz, und dazu ein paar Verbindungsfloskeln wie es ist evident, daß, oder dies beweist, daß, dann könnten wir aufschlußreiche Sequenzen bekommen. Man brauchte nur noch die Lücken zu füllen, oder man wertet die Wiederholungen als Wahrsagungen, Anregungen, Ermahnungen. Schlimmstenfalls erfinden wir auf diese Weise ein ganz neues Kapitel der Geschichte der Magie.«
    »Genial«, sagte Belbo. »Fangen wir gleich an.«
    »Nein, es ist schon sieben. Morgen.«
    »Ich

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