Das Foucaultsche Pendel
geschmückt mit siebenar-migen Leuchtern, mit Tetragrammen in Relief und Davidssternen im Strahlenkranz. Alte Geigen, schimmernd im Farbton der Lasur altmeisterlicher Gemälde, häuften sich vorn auf einem langen, perspektivisch nach hinten verjüngten Klostertisch. Ein großes Kro-kodil hing mumifiziert von der hohen Gewölbedecke, sanft schwingend in der Abendbrise, im flackernden Licht einer einzigen Fackel, oder vieler oder keiner. Im Hintergrund, vor einer Art Zelt oder Baldachin, unter dem sich ein Tabernakel erhob, kniete wie im Gebet versunken, ununterbrochen blasphemisch die zweiundsiebzig Namen Gottes murmelnd, ein Greis. Ich wuß-
te sogleich, erleuchtet durch jähen Blitzschlag des Nous, daß es Heinrich Khunrath war.
Was ist, Dee? fragte er, sich umwendend und sein Gebet unterbrechend. Was wollt Ihr? Er wirkte wie ein ausgestopftes Gürteltier, ein altersloser Leguan.
Khunrath, sagte Dee, das dritte Treffen hat nicht geklappt.
Khunrath stieß eine gräßliche Verwünschung aus: Lapis Exillis!
Und nu?
Khunrath, sagte Dee, Ihr könntet einen Köder auswerfen und mich in Kontakt mit der deutschen Templerlinie bringen.
Mal sehen, sagte Khunrath. Ich könnte Maier fragen, der kennt viele Leute bei Hof. Aber Ihr müßt mir dafür das Geheimnis der jungfräulichen Milch verraten, das Geheimnis des Allergeheimsten Ofens der Philosophen.
Dee lächelte o göttliches Lächeln jenes Sophen! Dann sammelte er sich wie zum Gebet und murmelte leise: Willst du das sublimierte Quecksilber umwandeln und in Wasser oder in Jungfrauenmilch auflösen, so tus auf die Folie zwischen die Häufchen und die Schale mit dem sorgfältig pulverisierten DING, aber decks nicht zu, sondern sorge dafür, daß die warme Luft an die nackte Materie gelangt, verabreiche ihm die Glut dreier Kohlen und halte es für acht Sonnentage lebendig, dann nimms heraus und zerstampfe es gut auf dem Marmor, bis es ungreifbar geworden. Alsdann tu die Materie in einen Glaskolben und laß sie in Balneum Mariae destillieren, über einem Wasserkessel, der so postiert sein muß, daß sich der Kolben nicht mehr als zwei Fingerbreit dem Wasser nähert, sondern darüber schweben bleibt, und zugleich mache ein Feuer unter dem Bad. Dann, und erst dann wird die Materie des Silbers, obwohl sie nicht das Wasser berührt, 492
sondern sich in diesem warmen und feuchten Bauche befindet, sich in Wasser verwandeln.
Meister, sagte Khunrath, auf die Knie fallend und des Doktors knochige, diaphane Hand küssend. So werde ichs tun. Und du wirst bekommen, was du willst. Entsinne dich dieser zwei Worte: Rose und Kreuz. Du wirst noch davon hören.
Dee hüllte sich in seinen schwarzen Kapuzenmantel, so daß nur seine stechenden Augen daraus hervorlugten. Gehen wir, Kelley, sagte er. Dieser Mann ist nun unser. Und du, Khunrath, halte uns den Golem vom Leibe, bis wir wieder in London sind. Danach mag ganz Prag ein einziger Scheiterhaufen sein.
Er machte Anstalten, sich zu entfernen. Khunrath kroch näher und ergriff einen Zipfel seines Mantels. Es wird vielleicht eines Tages ein Mann zu dir kommen. Einer, der über dich schreiben will. Sei freundlich zu ihm.
Gib mir die Macht, sagte Dee mit einem unbeschreiblichen Ausdruck auf seinem hageren Antlitz, und sein Glück ist gesichert.
Wir gingen hinaus. Über dem Atlantik befand sich ein barome-trisches Minimum, es wanderte ostwärts zu einem über Rußland lagernden Maximum.
Gehen wir nach Moskau, sagte ich.
Nein, erwiderte er. Wir kehren nach London zurück.
Nach Moskau, nach Moskau, murmelte ich verstört. Dabei hast dus doch genau gewußt, Kelley, du würdest niemals nach Moskau gelangen. Auf dich wartete der TURM.
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Wir kamen zurück nach London, und Doktor Dee sagte: Sie werden versuchen, vor uns zur Lösung zu gelangen. Kelley, schreib etwas für William, das sie... das sie ganz teuflisch verleum-det.
Und beim Bauche des Dämons, ich habs getan, und dann hat William den Text verdorben und hat die ganze Geschichte aus Prag nach Venedig verlegt. Dee kochte vor Wut. Aber der blasse, schleimige William fühlte sich sicher im Schutz seiner königlichen Konkubine. Und die genügte ihm nicht. Als ich ihm eins nach dem andern seine besten Sonette übergab, fragte er mich mit schamlo-sem Blick nach Ihr, nach Dir, my Dark Lady.
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