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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Wie entsetzlich, deinen Namen auf seinen schmierenkomödiantischen Lippen zu hören! (Ich wußte noch nicht, daß er, als doppelt verdammte Seele und Stellvertreter, für Bacon nach ihr suchte). — Jetzt reicht’s, 493
    sagte ich zu ihm. Ich habe es satt, im Schatten deinen Ruhm zu errichten. Schreib du für dich selbst.
    — Ich kann nicht, antwortete er mit einem Blick, als hätte er ein Gespenst gesehen. Er läßt mich nicht.
    — Wer? Dee?
    — Nein, der Baron Verulam. Hast du nicht gemerkt, daß er‘s jetzt ist, der das Spiel regelt? Er zwingt mich, die Werke zu schreiben, die er dann als die seinen ausgeben wird. Hast du verstanden, Kelley, ich bin der wahre Bacon, und die Nachgeborenen werden’s nicht wissen. Oh, wie ich diesen Parasiten hasse, diesen Satansbraten!
    — Bacon ist ein Schuft, aber er hat Geist, erwiderte ich. Warum schreibt er nicht eigenhändig?
    Ich wußte noch nicht, daß er keine Zeit dazu hatte. Wir bemerkten es erst einige Jahre später, als Deutschland vom Rosenkreuzer-Wahn erfaßt wurde. Da begriff ich, indem ich verstreute Andeutungen zusammenfügte, die er sich in unbedachten Momenten hatte entfahren lassen, daß er der Verfasser der Rosenkreuzer-Manifeste war. Er schrieb unter dem falschen Namen Johann Valentin Andreae!
    Für wen der echte Andreae schrieb, hatte ich damals noch nicht begriffen. Doch jetzt, im Dunkel dieser Zelle, in welcher ich schmachte, hellsichtiger als Don Isidro Parodi, jetzt weiß ich’s.
    Soapes hat es mir gesagt, mein Zellengenosse, ein einstiger portugiesischer Templer: Andreae schrieb einen Ritterroman für einen Spanier, der zur selben Zeit in einem anderen Gefängnis saß. Ich weiß nicht warum, aber das Projekt nützte dem infamen Bacon, der gerne als der geheime Autor der Abenteuer des Ritters von La Mancha in die Geschichte eingegangen wäre und daher Andreae gebeten hatte, ihm heimlich das Werk zu schreiben, als dessen wahrer okkulter Autor er sich dann ausgeben würde, um im Schatten (aber warum, warum?) den Triumph eines anderen zu genie-
    ßen.
    Doch ich schweife ab, nun, da es kalt ist in dieser Zelle und mich der Daumen schmerzt. Ich schreibe, im blakenden Licht einer verlöschenden Öllampe, die letzten Werke, die unter dem Namen Williams laufen werden.
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    Doktor Dee ist tot. Im Sterben murmelte er die Worte: Licht, mehr Licht, und bat um einen Zahnstocher. Zuletzt sagte er: Qualis 494
    Artifex Pereo! Es war Bacon, der ihn hatte umbringen lassen.
    Jahrelang hatte der Verulamius die Königin, bis sie gebrochenen Herzens und Sinnes verschied, in gewisser Weise umgarnt, ihre Züge waren bereits entstellt und ihr Leib zum Skelett abgemagert.
    Ihre Nahrung hatte sich auf ein Stück Weißbrot und eine Zichori-ensuppe pro Tag reduziert. Sie trug immer noch einen Degen an ihrer Seite, und in Momenten der Wut stieß sie ihn heftig in die Vorhänge und die Damasttapeten an den Wänden ihrer Gemä-
    cher. (Und wenn nun jemand dahinter verborgen war, um zu lauschen? Oder eine Ratte, eine Ratte? Gute Idee, alter Kelley, muß ich mir gleich notieren.)
    Der so senil gewordenen Alten konnte Bacon leicht weismachen, daß er William wäre, ihr Bastard — vor ihren Knien sitzend, sie schon erblindet, er in das Fell eines Widders gehüllt. Das Goldene Vlies! Es hieß, er spekuliere auf den Thron, aber ich wußte, daß er weit mehr wollte: Er wollte die Herrschaft über den Planeten. Zu der Zeit geschah es, daß er Viscount of Saint Albans wurde. Und sobald er sich stark genug fühlte, schaffte er Dee aus dem Wege.
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    Die Königin ist tot, es lebe der König... Ich war jetzt ein ungelegener Mitwisser. Er lockte mich in einen Hinterhalt, es war ein Abend, an dem die Dark Lady endlich hätte die meine sein können, und sie tanzte in meinen Armen, verloren unter der Herrschaft von Kräutern, die Visionen erzeugen können, Sie, die ewige Sophia, mit ihrem Runzelgesicht einer alten Gemse... Er trat herein mit einer Handvoll Bewaffneter, ließ mir die Augen mit einem Lappen verbinden, und jäh begriff ich: das Vitriol! Und wie Sie lachte, wie Du lachtest, Pin Ball Lady — oh maiden virtue rudely strumpeted, oh gilded honour shamefully misplac’d! — indes er dich mit seinen gierigen Händen betatschte

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