Das Foucaultsche Pendel
höchsten Mysterien eingeweiht und somit unsterblich geworden, bereit, seine finstere Schlacht für den Sieg des Großen Planes weiterzutreiben, in seinem Namen und unter seiner Kontrolle.
Nach diesem vermeintlichen Tod kam mich William besuchen, mit seinem heuchlerischen Lächeln, das mir die Gitterstäbe nicht zu verbergen vermochten. Er fragte mich, wieso ich ihm in Sonett III etwas von einem Färber geschrieben habe, er zitierte den Vers: To what it works in, like the dyers hand...
Nie habe ich diese Worte geschrieben, sagte ich. Und es stimmte... Kein Zweifel, Bacon hatte sie eingefügt, bevor er verschwand, um ein geheimes Signal an jene zu senden, die nun den Grafen von Saint-Germain an ihren Höfen aufnehmen sollen, als einen Experten für Tinkturen und Farben... Ich glaube, in Zukunft wird er versuchen, die Leute glauben zu machen, er habe die Werke Williams geschrieben. Wie hell und klar nun auf einmal alles wird, wenn man es aus dem Dunkel eines Verlieses betrach-497
tet!
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Where art thou, Muse, that thou forgetst so long? Ich fühle mich müde, krank. William erwartet neues Material von mir für seine albernen Clownerien im Globe.
Soapes schreibt. Ich schaue ihm über die Schulter. Er kritzelt eine unverständliche Botschaft: Rivverrun, past Eve and Adams...
Er verdeckt das Blatt mit den Händen, sieht mich an, sieht mich bleicher werden als ein Gespenst, liest den Tod in meinen Augen.
Ruh dich aus, sagt er leise. Hab keine Angst. Ich werde für dich schreiben.
Und so tut ers nun, als Maske einer Maske. Ich erlösche allmählich, und er entzieht mir auch noch das letzte Licht, das der Dunkelheit.
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Obgleich er guten Willens ist, scheinen sein Geist und seine Prophezeiungen offenkundiges Teu-felswerk... Sie sind imstande, viele neugierige Menschen zu täuschen und der Kirche Gottes
Unseres Herrn großen Schaden und Ärger zu
verursachen.
Gutachten über Guillaume Postel, an Ignatius von Loyola geschickt von den Jesuiten-Patres Salmeron, Lhoost und Ugoletto am 10. Mai 1545
Entspannt erzählte uns Belbo, was er sich ausgedacht hatte, ohne uns seine Seiten vorzulegen und ohne alle privaten Bezüge. Ja, er ließ uns sogar glauben, Abulafia habe ihm die Kombinationen geliefert. Daß Francis Bacon der wahre Verfasser der Rosenkreuzer-Manifeste gewesen sei, hatte ich schon irgendwo einmal gelesen, aber eine Bemerkung überraschte mich: daß Bacon auch Viscount of Saint Albans war.
Etwas ging mir im Kopf herum, etwas im Zusammenhang mit meiner alten Dissertation. Die folgende Nacht verbrachte ich schlaflos über meinen Karteien.
»Meine Herren«, begrüßte ich am nächsten Morgen einigermaßen feierlich meine Komplizen, »wir können gar keine Zusammenhänge erfinden. Es gibt sie. Als Bernhard von Clairvaux die Idee eines Konzils lancierte, um die Templer zu legitimieren, war unter denen, die mit der Organisation der Sache beauftragt wurden, auch der Prior von Saint Albans, der unter anderem den Namen des ersten englischen Märtyrers trug, des Evangelisators der Britischen Inseln, und der stammte genau aus Verulam, dem Familiensitz Bacons!
Sankt Alban, Kelte und zweifellos Druide, war ein Initiierter genau wie Sankt Bernhard.«
»Ist das alles?« fragte Belbo.
»Warten Sie ab. Dieser Prior von Sankt Alban war zugleich auch Abt von Saint-Martin-des-Champs, dem Kloster, in welchem später das Conservatoire des Arts et Métiers installiert werden sollte!«
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Belbo fuhr hoch. »Donnerwetter!«
»Und damit nicht genug. Das Conservatoire war ausdrücklich als Hommage an Francis Bacon gedacht Am 25. Brumai-re des Jahres III ermächtigte der Konvent sein Comité d’Instruction Publique zum Druck der gesammelten Werke von Bacon. Und am 19. Vendémiaire desselben Jahres verabschiedete derselbe Konvent ein Gesetz zum Bau eines Hauses der Künste und Handwerke, das die Idee jenes Salomonischen Hauses realisieren sollte, von dem Bacon in seiner Nova Atlantis spricht und das er als den Ort beschreibt, an dem alle technischen Erfindungen der Menschheit versammelt sein würden.«
»Na und?« fragte Diotallevi.
»Na, und im Conservatoire hängt doch das Pendel!« sagte Belbo. Und an der Reaktion von Diotallevi sah ich, daß Belbo ihm von seinen Reflexionen über das Foucaultsche Pendel erzählt haben mußte.
»Langsam, langsam«, bremste ich.
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