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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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ganzen Karriere darin gesammelt. »Das ist nicht immer so leicht wie bei den Insekten, für die man bloß eine Nadel und eine Schachtel braucht. Die wirbellosen Tiere zum Beispiel, die müssen mit Formalin behandelt werden.«
    Es roch tatsächlich nach Leichenschauhaus. »Muß eine faszinierende Arbeit sein«, sagte ich. Und dachte dabei an das lebende Ding, das in Lias Bauch heranwuchs. Ein eisiger Gedanke überfiel mich: Wenn es stürbe, sagte ich mir, will ich es selbst begraben, so daß es alle Würmer unter der Erde ernährt und die Erde fett macht. Nur so würde ich es noch als lebendig empfinden...
    Mich schauderte, aber ich riß mich zusammen, denn Salon sprach weiter, während er ein seltsames Wesen aus einem seiner Regale holte. Es mochte etwa dreißig Zentimeter lang sein und war eine Art Drache, ein Reptil mit großen schwarzen, geäderten Flügeln, einem Hahnenkamm und einem weit aufgerissenem Maul voll winziger Sägezähne. »Schön, nicht wahr? Eine Komposition von mir. Ich habe dafür einen Salamander, eine Fledermaus und die Haut einer Schlange benutzt... Ein Drache der Unterwelt. Inspiriert habe ich mich 528
    hieran.« Er zeigte mir auf einem anderen Tisch ein dickes, großformatiges Buch mit kostbarem Pergamenteinband und ledernen Laschen. »Das hat mich ein kleines Vermögen gekostet. Ich bin kein Bibliophile, aber diesen Band wollte ich unbedingt haben. Es ist der Mundus Subterraneus von Athanasius Kircher, erste Auflage von 1665. Hier der Drache.
    Sieht doch genauso aus wie meiner, nicht wahr? Er lebt in den Schluchten der Vulkane, sagte der gute Jesuit, der alles wußte, alles Bekannte, alles Unbekannte und alles Inexistente...«
    »Sie denken wohl immerzu an die Unterwelt«, sagte ich in Erinnerung an unser Gespräch in München und an die Sätze, die ich durch das Ohr des Dionysios aufgeschnappt hatte.
    Er schlug eine andere Seite des Bandes auf. ein Bild der Erdkugel, die aussah wie ein geblähtes schwarzes Leibesor-gan, durchzogen von einem Netzwerk leuchtender Adern, in Serpentinen und flammend. »Wenn Athanasius Kircher recht hatte, gibt es mehr Pfade im Innern der Erde als drau-
    ßen auf ihrer Oberfläche. Wann immer etwas in der Natur geschieht kommt es aus der glühenden Hitze dort unten...«Ich dachte an das Schwarze Werk, an Lias Bauch, an das Kleine Ding, das da auszubrechen versuchte aus seinem sanften Vulkan.
    »... und wann immer etwas in der Menschenwelt geschieht, ist es dort unten ersonnen worden.«
    »Sagt das Pater Kircher?«
    »Nein, er befaßte sich bloß mit der Natur... Aber es ist sehr bemerkenswert, daß der zweite Teil dieses seines Buches von der Alchimie und den Alchimisten handelt und daß sich genau hier, sehen Sie, ein Angriff auf die Rosenkreuzer findet. Warum werden die Rosenkreuzer in einem Buch über die unterirdische Welt angegriffen? Nun, weil unser Jesuit es faustdick hinter den Ohren hatte, er wußte, daß die letzten Templer sich in das unterirdische Reich von Agarttha ge-flüchtet hatten...«
    »... und anscheinend immer noch dort sind«, warf ich aufs Geratewohl ein.
    »Ja, sie sind immer noch dort«, bestätigte Salon. »Nicht in Agarttha, aber in anderen Untergründen. Vielleicht direkt hier unter uns. Inzwischen hat auch Mailand seine Untergrundbahn. Wer hat sie gewollt? Wer hat ihren Bau gelei-529
    tet?«
    »Nun, ich denke doch spezialisierte Ingenieure?«
    »Ja ja, halten Sie sich nur weiter die Augen zu. Und derweilen publizieren Sie in Ihrem Verlagshaus Bücher von wer weiß was für Leuten. Wie viele Juden haben Sie unter Ihren Autoren?«
    »Wir pflegen unsere Autoren nicht nach ihrem Stamm-baum zu fragen«, antwortete ich kühl.
    »Halten Sie mich nicht für einen Antisemiten. Einige meiner besten Freunde sind Juden. Ich denke an eine bestimmte Sorte von Juden...«
    »Nämlich?«
    »Je nun...«
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    Er machte sein Köfferchen auf. In unbeschreiblichem Durcheinander lagen dort falsche Kragen,
    Gummibänder, Küchengeräte, Abzeichen diver-
    ser technischer Hochschulen, ja sogar das Mono-
    gramm der Zarin Alexandra Fjodorowna und das
    Kreuz der Ehrenlegion. Auf all dem glaubte er in seinem Wahn das Siegel des Antichrist zu erkennen, in Form eines Dreiecks oder zweier über-
    kreuztet Dreiecke.
    Alexandre Chayla, »Serge A. Nilus et les Protocoles«, La Tribune juive, 14. Mai 1921, p. 3
    »Sehen Sie«, sagte er dann, »ich bin in Moskau geboren.
    Und genau dort sind, als ich ein Junge war, geheime jüdische Dokumente ans Licht gekommen, in

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