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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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zwei Lager geteilt, in das pro-englische und das pro-deutsche. Die Freimaurerei ist nur der äußere Deckmantel, der Vorwand, unter dem all diese Agenten verschiedener Gruppen — Gott weiß, wo die Paulizianer und die Jerusalemer geblieben sein mögen — sich treffen und sich bekämpfen, um sich gegenseitig ein Stückchen des Geheimnisses zu entreißen.«
    »Die Freimaurerei als so was wie Ricks Café Américain in Casablanca«, sagte Belbo. »Das Gegenteil dessen, was man gemeinhin glaubt. Die Freimaurerei ist kein Geheimbund.«
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    »Nein, wirklich nicht, nur ein Freihafen, wie Macao. Eine Fassade. Das Geheimnis ist woanders.«
    »Arme Maurer.«
    »Der Fortschritt verlangt seine Opfer. Aber geben Sie zu, daß wir dabei sind, eine immanente Rationalität der Geschichte wiederzufinden.«
    »Die Rationalität der Geschichte ist das Resultat einer guten Neuschrift der Torah«, sagte Diotallevi. »Und genau die betreiben wir hier, und gelobt sei der Name des Allerhöchsten immerdar.«
    »Na gut«, schloß Belbo. »Jetzt haben die Baconianer also Saint-Martin-des-Champs, und der deutschfranzösische Neutemplerismus zerfällt in eine Myriade von Sekten... Aber wir haben immer noch nicht entschieden, um welches Geheimnis es eigentlich geht«
    »In der Tat, das habt ihr noch nicht«, sagte Diotallevi.
    »Ihr? Hier sind wir alle drei gefragt. Wenn wir das nicht ordentlich klären, stehen wir dumm da.«
    »Vor wem?«
    »Vor der Geschichte, vor dem Tribunal der Wahrheit.«
    » Quid est veritas?« fragte Belbo.
    »Wir«, sagte ich.
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    Dieses Kraut wird von den Philosophen Teufels-
    austreiber genannt. Es ist experimentell erwie-
    sen, daß nur dieser Samen die Teufel und ihre
    Halluzinationen vertreibt.. Man hat einem jun-
    gen Mädchen davon gegeben, das bei Nacht von
    einem Teufel gequält wurde, und da hat ihn das
    Kraut in die Flucht geschlagen.
    Johannes a Rupescissa, Tratatus de quinta essentia, II In den folgenden Tagen vernachlässigte ich den Großen Plan. Lias Schwangerschaft näherte sich dem Ende, ich blieb nun bei ihr, sooft ich konnte. Sie beruhigte mich, ich solle mir keine Sorgen machen, es sei noch nicht soweit. Sie nahm an einem Kurs für schmerzlose Geburt teil, und ich versuchte, ihre Übungen mitzumachen. Sie hatte es abgelehnt, sich von der Wissenschaft voraussagen zu lassen, welches Geschlecht das Kind haben würde. Sie wollte die Überraschung. Ich hatte ihren exzentrischen Wunsch akzeptiert.
    Ich tastete ihr den Bauch ab und fragte mich nicht, was da herauskommen würde, wir nannten es einfach das Kleine, das Ding.
    Ich fragte sie nur, wie ich ihr bei der Geburt würde helfen können. »Es ist doch auch meins, das Kleine«, sagte ich. »Ich will nicht den werdenden Vater spielen, wie man ihn aus dem Kino kennt, der nervös auf dem Korridor hin und her rennt und sich eine Zigarette an der andern ansteckt.«
    »Pim, viel mehr wirst du nicht tun können. Es kommt ein Moment, der ganz allein meine Sache ist Und außerdem rauchst du nicht und wirst dir’s ja wohl nicht bei dieser Gelegenheit angewöhnen wollen.«
    »Also was mache ich dann?«
    »Du beteiligst dich vorher und nachher. Nachher, wenn es ein Junge ist, erziehst du ihn, bildest ihn, verschaffst ihm einen schönen Ödipus, wie sich’s gehört, stellst dich dem rituellen Vatermord, wenn der Moment gekommen ist, lä-
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    chelnd und ohne Geschichten zu machen, und dann zeigst du ihm eines Tages dein miserables Büro, die Karteikästen, die Druckfahnen der wunderbaren Geschichte der Metalle und sagst, mein Sohn, dies alles wird eines Tages dir gehö-
    ren.«
    »Und wenn es ein Mädchen ist?«
    »Dann sagst du, meine Tochter, dies alles wird eines Tages deinem Nichtsnutz von Gatten gehören.«
    »Und vorher?«
    »Wenn die Wehen kommen, vergeht dazwischen immer eine gewisse Zeit, die man zählen muß, denn je kürzer die Zeit zwischen den Wehen wird, desto näher kommt der Moment. Wir werden zusammen zählen, und du wirst mir den Takt geben, wie beim Rudern auf den Galeeren. Es wird so sein, als ob auch du unser Kleines Ding langsam aus seiner warmen dunklen Höhle herausholst. Das Arme... Fühlst du’s, jetzt geht’s ihm so gut da im Dunkeln, es süffelt genüß-
    lich Säfte wie eine Zecke, alles gratis, und dann plötzlich, peng, kommt es rausgeschossen ans Sonnenlicht, blinzelt und sagt, Teufel, wo bin ich da hingeraten?«
    »Das arme Ding. Und dabei kennt es noch gar nicht den Signor Garamond. Komm, probieren wir mal zu

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