Das Foucaultsche Pendel
Sainte Trinosophie, ich selbst habe das geschrieben, jeder kann’s nachlesen, für bloß sechzig Francs!« Er rannte zu Geo Fox und schüttelte ihn am Arm.
»Hör auf, du Betrüger!« schrie Madame Olcott. »Du bringst ihn ja um.«
»Und wenn schon!« schrie Agliè und kippte das Medium vom Stuhl.
Geo Fox versuchte, sich an seiner eigenen Sekretion festzuhalten, die er mit sich zu Boden riß, wo sie sich auflöste und zerfloß. Er wälzte sich in dem Geifer, den er weiterhin aus-spie, bis er steif wurde und leblos dalag.
»Aufhören, Narr!« schrie Madame Olcott und packte Agliè am Arm. Dann zu den beiden anderen Brüdern: »Haltet durch, meine Kleinen, sie müssen noch einmal sprechen.
Kunrath, Khunrath, sag’s ihm, sag, daß ihr echt seid!«
Leo Fox versuchte, die Eule wieder einzusaugen, um zu überleben. Madame Olcott trat hinter ihn und preßte die Finger an seine Schläfen, um ihn unter ihren Willen zu zwingen. Die Eule bemerkte, daß sie im Verschwinden begriffen war, und wandte sich gegen ihren Erzeuger: »Phy, Phy, Dia-bolos!« zischte sie und versuchte ihm die Augen auszuhak-705
ken. Leo Fox stieß einen erstickten Schrei aus, als hätte man ihm die Kehle durchgeschnitten, und fiel auf die Knie. Die Eule verschwand in einer widerwärtigen Schlickpfütze (pfuii, pfuiii, machte sie), Leo stürzte kopfüber in die Pfütze, erstickte darin und blieb reglos liegen. Die Olcott fuhr wü-
tend zu Theo herum, der tapfer standgehalten hatte: »Sprich, Kelly! Hörst du mich?«
Kelley sagte nichts mehr. Er versuchte, sich von seinem Erzeuger abzulösen, der nun aufbrüllte, als würden ihm die Eingeweide herausgerissen, und mit den Händen ins Leere griff, um zurückzuholen, was er hervorgebracht hatte. »Kelley, denk an deine abgeschnittenen Ohren«, rief die Olcott,
»hüte dich, noch einmal falsch zu spielen!« Aber Kelley, dem es nicht gelang, sich von Theo zu trennen, versuchte ihn jetzt zu ersticken. Er war zu einer Art riesigem Kaugummi geworden, den der letzte Fox-Bruder vergeblich abzuschütteln versuchte. Dann stürzte auch Theo zu Boden, hustete, vermischte sich langsam mit seinem Auswurf, der ihn verschlang, und wälzte sich zappelnd am Boden, als würde er von Flammen verzehrt. Das, was Kelley gewesen war, legte sich über ihn wie ein Schweißtuch, zerfloß dann und ließ ihn leblos am Boden liegen, die andere Hälfte seiner selbst, die Mumie eines von Salon einbalsamierten Kindes. Im selben Augenblick blieben die vier tanzenden Derwische urplötzlich stehen, rissen die Arme hoch, verharrten ein paar Sekunden so, um dann zusammenzubrechen, winselnd wie Welpen, und sich die Hände vors Gesicht zu schlagen.
Agliè hatte sich unterdessen in den Chorumgang begeben, wischte sich den Schweiß von der Stirn mit dem kleinen Taschentuch, das seine Brusttasche zierte, holte zweimal tief Luft und steckte sich eine weiße Pille in den Mund. Dann hob er ruhegebietend die Hand.
»Brüder, Ritter. Ihr habt gesehen, was für Erbärmlichkei-ten uns diese Frau hat vorsetzen wollen. Besinnen wir uns und kommen wir auf meinen Vorschlag zurück Gebt mir eine Stunde Zeit, den Gefangenen hinüberzubringen.«
Madame Olcott war ausgeschaltet, stumm beugte sie sich über ihre drei Medien in einem fast menschlichen Schmerz.
Aber Pierre, der das Schauspiel vom Lehnstuhl aus verfolgt hatte, nahm jetzt die Situation wieder in die Hand. »Non!«
sagte er entschieden. »Es gibt nur ein Mittel. Le sacrifice 706
humain! Das Menschenopferl Her mit dem Gefangenen!«
Hypnotisiert von seiner Energie packten die beiden Riesen Belbo, der die Szene reglos verfolgt hatte, und stießen ihn vor Pierre. Dieser, flink wie ein Taschenspieler, sprang auf, stellte den Stuhl auf den Tisch, schob diesen in die Mitte des Chorraums, packte das Pendel im Fluge und stoppte die Kugel, deren Gewicht ihn ein paar Schritte zurückweichen ließ. Es ging alles im Nu: Als folgten sie einem Plan — und vielleicht hatte es während des Durcheinanders ja wirklich eine Absprache gegeben —, sprangen die beiden Riesen auf den Tisch, hoben Belbo auf den Stuhl, der eine legte das Seil des Pendels zweimal um Belbos Hals, während der andere die Kugel hochhielt, um sie dann vorsichtig auf den Tisch-rand zu legen.
Bramanti stürzte sich vor diesen Galgen, glühend vor Majestät in seinem scharlachroten Mantel, und psalmodierte:
»Exorcizo igitur te per Pentagrammaton, et in nomine Tetragrammaton, per Alpha et Omega qui sunt in spiritu Azoth.
Saddai,
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