Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
Besitzanspruch auf Lorenza erneuerte.
    Unterdessen antwortete ihm Lorenza, nachdem sie sich einen weiteren Schluck von jemandem genommen hatte: »Aber doch nur zum Spaß. Ich liebe doch dich.«
    »Bin ja schon froh, wenn du mich nicht hasst. Hör zu, ich möchte jetzt gern nach Hause, ich hab eine Magenverstimmung. Ich bin leider noch Gefangener der niederen Materie. Mir hat Simon nichts versprochen. Kommst du mit?«
    »Ach lass uns doch noch ein bisschen bleiben. Es ist grad so schön. Amüsierst du dich nicht? Und außerdem, ich hab mir die Bilder noch gar nicht richtig angesehen. Hast du gesehn, Riccardo hat auch eins über mich gemacht.«
    »Was würd ich nicht alles gern über dich machen!« sagte Riccardo.
    »Du bist vulgär. Nimm die Pfoten weg, ich rede mit Jacopo. Herrgott, Jacopo, darfst denn bloß du intellektuelle Spielchen mit deinen Freunden treiben und ich nicht? Wer ist es denn, der mich wie eine Prostituierte aus Tyrus behandelt? Du!«
    »Na klar doch. Ich. Ich bin es, der dich alten Herren in die Arme treibt.«
    »Er hat nie versucht, mich in die Arme zu nehmen. Er ist kein Lüstling. Es stört dich wohl, daß er nicht mit mir ins Bett will, sondern mich als eine intellektuelle Partnerin betrachtet.«
    »Animierdame.«
    » Das hättest du jetzt nicht sagen dürfen. Riccardo, bring mich irgendwohin, wo's noch was zu trinken gibt.«
    »Nein, warte«, sagte Belbo. »Sag mir jetzt, ob du ihn ernst nimmst, ich will endlich kapieren, ob du verrückt bist oder nicht. Und hör auf zu trinken. Sag mir verdammt noch mal, ob du ihn ernst nimmst?«
    »Aber Liebster, das ist doch ein Spiel zwischen mir und ihm. Und dann, das Schöne an der Geschichte ist: wenn die Sophia kapiert, wer sie ist, und sich aus der Tyrannei der Engel befreit, dann kann sie sich frei von Sünde bewegen... «
    »Hast du aufgehört zu sündigen?«
    »Ach bitte, überleg's dir noch mal«, sagte Riccardo und küsste sie schamhaft auf die Stirn.
    »Im Gegenteil«, antwortete sie Belbo, ohne den Maler zu beachten. »Alle diese Sachen da sind jetzt keine Sünde mehr, man kann alles machen, was man will, um sich vom Fleisch zu befreien, man ist jenseits von Gut und Böse.«
    Mit einem Stoß schob sie Riccardo weg und rief laut in den Saal: »Ich bin die Sophia, und um mich von den Engeln zu befreien, muß ich alle Sünden prepetieren... prerpuetieren... per-pe-trieren, auch die allerschönsten!«
    Sie ging leicht schwankend in eine Ecke, wo ein ganz in Schwarz gekleidetes Mädchen mit dicken Lidschatten und sehr blassem Teint saß, zog es in die Mitte des Saales und begann mit ihm zu tanzen. Die beiden tanzten fast Bauch an Bauch, mit schlaff herunterhängenden Armen. »Ich kann auch dich lieben«, sagte Lorenza. Und küsste sie auf den Mund.
    Die anderen bildeten einen Halbkreis um sie, ein bisschen erregt, und jemand rief etwas. Belbo hatte sich hingesetzt und betrachtete die Szene mit einem undurchdringlichen Ausdruck, wie ein Impresario, der einer Theaterprobe zuschaut. Er schwitzte und hatte ein nervöses Zucken am linken Auge, das ich noch nie an ihm bemerkt hatte. Dann plötzlich, als Lorenza schon mindestens fünf Minuten lang tanzte und ihre Bewegungen immer lasziver wurden, straffte er sich und sagte scharf. »Komm jetzt her!«
    Lorenza blieb stehen, spreizte die Beine auseinander, streckte die Arme nach vorn und schrie: »Ich bin die Heilige und die Hure!«
    »Du bist ein Haufen Scheiße«, sagte Belbo, stand auf, ging geradewegs auf sie zu, packte sie hart am Handgelenk und zog sie zur Tür.
    »Lass mich!« schrie sie. »Was erlaubst du dir... « Dann brach sie in Schluchzen aus und warf ihm die Arme um den Hals. »Liebster, ich bin doch deine Sophia! Du wirst dich doch nicht wegen so was aufregen...«
    Belbo legte ihr sanft den Arm um die Schultern, küsste sie auf die Schläfe und strich ihr die Haare aus der Stirn, dann sagte er in den Saal: »Entschuldigt, sie ist es nicht gewohnt, so viel zu trinken.«
    Ich hörte ein paar Leute kichern. Ich glaube, auch Belbo hatte es gehört. Er entdeckte mich auf der Türschwelle und machte etwas, von dem ich bis heute nicht weiß, ob es für mich, für die anderen oder für ihn selbst bestimmt war. Er machte es gedämpft, mit halblauter Stimme, als die anderen sich schon abgewandt hatten.
    Den Arm immer noch um Lorenzas Schultern, drehte er sich halb zum Saal herum und machte leise, wie jemand, der eine Selbstverständlichkeit sagt: »Kikerikiii.«

51
    Wann derohalben ein kabbalistischer

Weitere Kostenlose Bücher