Das Foucaultsche Pendel
worden ist. Der Kolben steigt erneut zum Oberen Totpunkt empor und stößt die unförmige, nun verbrannte Materie hinaus. Nur wenn diese Reinigungsoperation gelingt, kann der Neue Zyklus wieder beginnen. Der, wenn man's genau bedenkt, zugleich auch der neuplatonische Mechanismus des Exodos und des Parodos ist — wunderbare Dialektik des Weges nach Oben und des Weges nach Unten.«
» Quantum mortalia pectora caecae noctis habent! (Wie viel an dunkler Nacht doch die Sterblichen haben! [Ovid]) Und die Kinder der Materie haben es nie gemerkt!«
»Deshalb lehren die Meister der Gnosis, daß man nicht den Hylikern trauen darf, sondern stets nur den Pneumatikern und warum wohl, meinen Sie, nennt man den Reifen auch Pneu?«
»Fantastisch! Für morgen bereite ich eine mystische Auslegung des Telefonbuchs vor.«
»Immer ambitioniert, unser Casaubon. Bedenken Sie, daß Sie dann das unergründliche Problem des Einen und der Vielen lösen müssen. Gehen Sie lieber in Ruhe vor. Untersuchen Sie erst mal den Mechanismus der Waschmaschine.«
»Der spricht doch für sich. Eine alchimistische Transformation: vom Schwarzen Werk zum Werk im weißer als weißesten Weiß.«
67
Da Rosa, nada digamos agora...
(Von der Rose reden wir nicht mehr...)
Sampayo Bruno, Os Cavaleiros do Amor, Lissabon, Guimarães, 1960, p. 155
Wenn man einmal Verdacht geschöpft hat, lässt man keine Spur mehr außer acht. Nach den Fantastereien über den »Motorbaum« war ich bereit, in allem und jedem, was mir in die Finger kam, Enthüllungen zu erblicken.
Ich hatte Kontakte zu meinen brasilianischen Freunden gehalten, und in jenen Tagen fand in Coimbra ein Kongress über die lusitanische Kultur statt. Mehr im Wunsch, mich wiederzusehen, als um meine Kompetenz zu ehren, gelang es den Freunden aus Rio, mir eine Einladung zu beschaffen. Lia kam nicht mit, sie war im siebten Monat, zwar hatte die Schwangerschaft ihre grazile Linie noch kaum verändert und sie allenfalls zu einer zarten flämischen Madonna gemacht, aber sie wollte die Reise lieber nicht antreten.
Ich verbrachte drei fröhliche Abende mit den alten Genossen, und als wir im Bus nach Lissabon zurückfuhren, kam eine Diskussion über die Frage auf, ob wir in Fatima oder in Tomar haltmachen sollten. Tomar war die Burg, in der die portugiesischen Templer sich verschanzt hatten, nachdem die Güte des Königs und des Papstes sie vor Prozess und Zerschlagung bewahrt hatte — durch den einfachen Trick, sie in den Orden der Christusritter umzubenennen. Eine Templerburg konnte ich mir nicht entgehen lassen, und zum Glück waren die anderen keine Fatima-Enthusiasten.
Wenn ich mir je eine Templerburg vorgestellt hatte, war's eine wie Tomar. Man steigt auf einer befestigten Straße hinauf, die sich um die äußeren Bastionen windet, zwischen kreuzförmigen Schießscharten, und vom ersten Moment an atmet man Kreuzzugsluft. Jahrhundertelang hatten die Christusritter an diesem Ort prosperiert — die Überlieferung will, daß sowohl Heinrich der Seefahrer wie Christoph Columbus aus ihren Reihen stammten, und in der Tat hatten sie sich auf die Eroberung der Meere verlegt und damit Portugal reich gemacht. Das lange und glückliche Dasein, das sie dort genossen, hat dazu geführt, daß die Burg im Lauf der Jahrhunderte mehrmals umgebaut und vergrößert worden ist, so daß ihr mittelalterlicher Kern jetzt von Renaissance-und Barockflügeln eingefasst wird. Mit einem Gefühl der Bewegung trat ich in die Kirche der Templer, deren achteckige Rotunde die der Grabeskirche in Jerusalem nachbildet. Mir fiel auf, daß die Form des Templerkreuzes in den Kirchen je nach Region differiert — ein Problem, das sich mir schon bei der Arbeit an meiner Dissertation gestellt hatte, als ich die konfuse Ikonografie zum Thema durchsah. Während das Malteserkreuz mehr oder weniger immer dasselbe geblieben ist, scheint das der Templer viel stärker den Einflüssen des Jahrhunderts oder der örtlichen Tradition unterworfen. Deshalb genügt es den Templer-Jägern, irgendwo ein beliebiges Kreuz zu entdecken, und schon haben sie eine Spur...
Nach der Kirchenbesichtigung zeigte der Führer uns auch das Manuelinische Fenster, die janela par excellence, ein rautenförmiges Gitterwerk, eingefasst von einer wildwuchernden Collage aus Meeresfunden, Algen, Muscheln, Ankern, Tauen und Ketten, zur Feier des Ruhmes der Ritter auf den Ozeanen. Doch zu beiden Seiten des Fensters, auf dem steinernen Gürtel um die beiden turmartigen
Weitere Kostenlose Bücher