Das Foucaultsche Pendel
sagte ich mir, dass die Geschichte nun wirklich zu Ende war. Wenn Hod die Sefirah der Größe ist, hatte Belbo seine Größe gehabt. Eine einzige unerschrockene Geste hatte ihn mit dem Absoluten versöhnt.
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Das ideale Pendel besteht aus einem extrem dünnen Faden, der sich keiner Flexion oder Torsion widersetzt, von einer Länge L, an dessen Baryzentrum eine Masse befestigt ist. Für die Kugel ist das Baryzentrum der Mittelpunkt, für einen menschlichen Körper ist es ein Punkt auf 0,65 seiner Höhe, gemessen von den Füßen aufwärts. Wenn der Gehenkte 1,70 m groß ist, liegt das Baryzentrum 1,10 m über seinen Fußsohlen, und die Länge L enthält diese Höhe. Mit anderen Worten, wenn der Kopf vom Scheitel bis zum Hals 0,30 m lang ist, liegt das Baryzentrum auf der Höhe 1,70 -1,10 = 0,60 m unterhalb des Kopfes und 0,60 -0,30 = 0,30 m unterhalb des Halses des Gehenkten.
Die Periode kleiner Schwingungen des Pendels, wie sie Huygens bestimmt hat, ist gegeben durch:
Notabene: T ist unabhängig vom Gewicht des Gehenkten (Gleichheit aller Menschen vor Gott)...
Bei einem doppelten Pendel mit zwei Massen am selben Faden:... Verlagert man A, so schwingt A noch ein Weilchen und bleibt dann stehen, und es schwingt B. Haben die gekoppelten Pendel verschiedene Massen oder Längen, so schwingt die Energie vom einen zum andern, aber die Zeiten dieser Energieschwingungen sind nicht gleich... Dieses Hin-und Herpendeln der Energie erfolgt auch dann, wenn man A, statt es frei schwingen zu lassen, nachdem man es einmal verlagert hat, weiter periodisch mit einer Kraft verlagert. Mit anderen Worten, wenn der Wind in Böen auf den Gehenkten bläst, bewegt sich der Gehenkte nach einer Weile nicht mehr, und die Kugel schwingt, als wäre sie an dem Gehenkten aufgehängt.
Aus einem privaten Brief von Mario Salvadori, Columbia University, 1984
Ich hatte nichts mehr an diesem Ort zu suchen. Ich nutzte das Durcheinander, um die Statue von Gramme zu erreichen.
Der Sockel war noch offen. Ich schlüpfte hinein, stieg eine kurze Leiter hinunter und befand mich auf einem kleinen Absatz, der von einem Lämpchen beleuchtet wurde. Hier begann eine gemauerte Wendeltreppe, die mich in einen schwach beleuchteten, ziemlich hohen Gang hinunterführte. Zuerst erkannte ich nicht, wo ich war und woher das Schwappen und Plätschern kam, das ich hörte. Dann gewöhnten sich meine Augen an das Dämmerlicht, und mir ging auf: ich war in einem Abwasserkanal, ein Geländer schützte mich vor einem Fall ins Wasser, aber nicht vor einem widerwärtigen Gestank halb chemischer, halb organischer Herkunft. Wenigstens etwas von unserer ganzen Geschichte war also wahr: die Kloaken von Paris. Die von Colbert, von Fantomas, von de Caus?
Ich folgte dem größten Kanal, ließ die dunkleren Abzweigungen beiseite und hoffte, dass ein Signal mir anzeigen würde, wo ich meine unterirdische Flucht beenden konnte. Auf jeden Fall lief ich weit weg vom Conservatoire, und verglichen mit jenem Reich der Finsternis waren die Kloaken von Paris ein Labsal, Befreiung, frische Luft, Licht.
Ich hatte ein einziges Bild vor Augen: die rätselhafte Figur, die Belbos Leichnam in den Chor der Kirche gezeichnet hatte. Was war das für ein Symbol, welchem anderen Symbol entsprach es? Ich kam nicht darauf. Heute weiß ich, dass es sich um ein physikalisches Gesetz handelte, aber die Art, wie ich es erfahren habe, macht das Phänomen nur noch emblematischer. Hier in Belbos Landhaus, zwischen seinen Papieren, habe ich einen Brief gefunden, in dem ihm jemand, den er offenbar danach gefragt hatte, in mathematischen Termini erklärt, wie ein Pendel funktioniert und wie es sich verhalten würde, wenn an seinem Faden weiter oben ein zweites Gewicht befestigt würde. Demnach hatte Belbo, wer weiß, wie lange schon, mit dem Pendel sowohl die Vorstellung eines Sinai wie die eines Golgatha verbunden. Er war nicht als Opfer eines vor kurzem angefertigten Plans gestorben, er hatte seinen Tod seit langem in der Fantasie vorbereitet, ohne zu ahnen, dass diese seine Fantasie, während er sie für unkreativ hielt, die Wirklichkeit vorausplante. Oder nein, vielleicht hatte er auf diese Art sterben wollen, um sich und den anderen zu beweisen, dass, auch wenn man kein Genie hat, die Fantasie immer kreativ ist.
In gewisser Weise hatte Belbo, indem er verlor, gesiegt. Oder hat, wer sich einzig auf diese Art zu siegen verlegt, alles verloren? Alles verloren hat, wer nicht begriffen hat, dass der Sieg ein
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