Das Foucaultsche Pendel
Ordens, aber dort haben die Templer immerhin auch einen Bruderorden, die Deutschordensritter, die zu jener Zeit etwas mehr tun, als nur einen Staat im Staate zu gründen: Sie sind der Staat, sie beherrschen ein Gebiet, so groß wie das der Länder, die heute unter der Knute Russlands leben, und sie machen weiter so bis zum Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, bis die Mongolen kommen — aber das ist eine andere Geschichte, denn die Mongolen haben wir ja immer noch vor den Toren ... Aber schweifen wir nicht ab ...«
»Nein, bitte nicht«, sagte Belbo. »Fahren wir fort.«
»Eh bien. Wie jeder weiß, verließ zwei Tage, bevor Philipp den Haftbefehl erteilte, also einen Monat, bevor die Verhaftung erfolgte, ein Heuwagen, von zwei Ochsen gezogen, mit unbekanntem Ziel den Tempelbezirk von Paris. Auch Nostradamus spricht davon in einer seiner Centuries ...« Der Oberst suchte nach einer Seite in seinem Manuskript:
Souz la pasture d'animaux ruminant par eux conduits au ventre herbipolique soldats cachés, les armes bruit menant...
(Unter dem Futter von wiederkäuenden Tieren, von ihnen gezogen zum herbipolischen Bauch, Soldaten verborgen, die Waffen schon klirrend ...)
»Der Heuwagen ist eine Legende«, sagte ich, »und ich würde Nostradamus nicht als Autorität in Sachen Geschichtsschreibung nehmen.« »Bedeutend ältere Leute als Sie, junger Mann, haben vielen Prophezeiungen des Nostradamus Glauben geschenkt. Andererseits bin ich nicht so naiv, die Heuwagengeschichte wörtlich zu nehmen. Sie ist ein Symbol. Das Symbol für die evidente und gesicherte Tatsache, dass Jacques de Molay in Voraussicht der bevorstehenden Verhaftung das Kommando und die geheimen Instruktionen an seinen Neffen übertrug, den Grafen von Beaujeu, der daraufhin zum verborgenen Oberhaupt des nun verborgenen Tempelordens wurde.«
»Gibt es dafür geschichtliche Dokumente?«
»Die offizielle Geschichte«, lächelte bitter der Oberst, »ist die von den Siegern geschriebene. Nach der offiziellen Geschichte sind Männer wie ich nicht existent. Nein, unter der Sache mit dem Heuwagen verbirgt sich etwas anderes. Der geheime Kern des Ordens begab sich in ein ruhiges Zentrum und begann, von dort aus sein klandestines Netz zu spinnen. Von dieser Evidenz bin ich ausgegangen. Seit Jahren, schon seit der Zeit vor dem Kriege habe ich mich immer wieder gefragt wo diese Brüder im Heroismus geblieben sein mochten. Als ich mich dann ins Privatleben zurückzog, beschloss ich, endlich nach einer Spur zu suchen. In Frankreich war die Flucht mit dem Heuwagen erfolgt, in Frankreich also musste ich nach dem Ort der Gründungsversammlung des klandestinen Kerns suchen. Aber wo?«
Er hatte Sinn für Theatralik. Belbo und ich wollten nun wissen, wo. Wir fanden kein besseres Mittel, als zu sagen: »Sagen Sie's!«
»Ich sage es. Woher kamen die Templer? Woher stammte ihr Gründer Hugo von Payns? Aus der Champagne, aus der Nähe von Troyes. Und in der Champagne regierte Graf Hugo de Champagne, der ihn wenige Jahre nach der Gründung, 1125, in Jerusalem traf. Dann kam er nach Hause zurück und setzte sich, wie es scheint, mit dem Abt von Citeaux in Verbindung, dem er half, in seinem Kloster die Lektüre und die Übersetzung bestimmter hebräischer Texte zu initiieren. Denken Sie nur, die Rabbiner aus der Haute Bourgogne werden nach Citeaux eingeladen, zu den weißen Benediktinern, und von wem? Vom heiligen Bernhard, zum Studium wer weiß welcher Texte, die Hugo in Palästina gefunden hat. Und Hugo offeriert den Mönchen Bernhards einen Wald bei Bar-sur-Aube, wo dann Clairvaux entstehen wird. Und was macht Bernhard?«
»Er wird zum Cheftheoretiker der Templer«, sagte ich.
»Er unterstützt sie, jawohl. Und warum? Wissen Sie, dass er die Templer mächtiger als die Benediktiner werden lässt? Dass er den Benediktinern verbietet, Ländereien und Häuser als Geschenk anzunehmen, und dann die Ländereien und Häuser den Templern geben lässt? Haben Sie je den Forêt d'Orient bei Troyes gesehen? Ein riesiges Waldgebiet mit einer Burg nach der andern. Und derweilen kämpfen die Ritter in Palästina gar nicht mehr, wissen Sie das auch? Sie installieren sich im Tempel zu Jerusalem, und statt die Muselmänner zu töten, schließen sie mit ihnen Freundschaft. Sie nehmen Kontakt zu ihren Eingeweihten auf. Kurz gesagt, Bernhard von Clairvaux, finanziell unterstützt vom Grafen der Champagne, gründet einen Orden, der sich im Heiligen Land mit den arabischen und jüdischen
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