Das Frankenstein-Projekt (German Edition)
Plastikfläschchen und ein Wattebausch lagen darin.
Tante Margrets Unterschrift war nicht sehr schwierig und sie ging ihm mittlerweile recht leicht von der Hand. Trotzdem gönnte er sich zwei Testläufe auf Schmierpapier, ehe er sich das Matheheft vornahm und mit dem farblosen Stift den Namen seiner Tante in schwungvollen, wenn auch unsichtbaren Schlaufen unter die Bemerkungen seiner Klassenlehrerin schrieb.
Jetzt konnte er die Schrift ganz nach Belieben sichtbar oder unsichtbar machen – es kam nur darauf an, mit welcher Chemikalie er den Wattebausch tränkte, ehe er darüberstrich.
Da staunen Sie, was, Watson?, dachte Adrian und kicherte still in sich hinein. Das Problem mit der auf rätselhafte und geheimnisvolle Weise erscheinenden und wieder verschwindenden Unterschrift war damit gelöst.
Wie schon gesagt: Adrian liebte alles Rätselhafte und Geheimnisvolle.
Nicht mal im Traum hätte er damit gerechnet, dass allein diese Tatsache eines Tages sein ganzes bisheriges Leben auf den Kopf stellen würde. Doch heute war dieser Tag. Denn obwohl er es selbst noch gar nicht wusste, hatte Adrian Bertram um genau 22:38 Uhr und 58 Sekunden für £ 14,95 den Schlüssel zu einem der größten Geheimnisse dieser Welt ersteigert.
Eine Ladung Schweinehälften
Night’s Agency, London
Der Grund für die Schlappe war schnell gefunden. Bereits anderthalb Stunden nach dem Zwischenfall stand Maxwell Purdy mit einem äußerst mulmigen Gefühl im Bauch in Darwin Nights Büro, um Bericht zu erstatten.
Mr Nights Heiligtum war ein geschmackvoll mit Antiquitäten und okkulten Kuriositäten eingerichteter Raum im zweiten Untergeschoss der Agency. Ein mächtiger Schreibtisch beherrschte das Zimmer. Dahinter an der Wand hing eingerahmt der Union Jack, daneben ein signiertes Foto der Königin mit persönlicher Widmung zu Nights 60. Geburtstag. Zwei Plasmabildschirme, die je nach Stimmung Sonnenaufgänge in Cornwall, den Sternenhimmel über Loch Ness oder auch das satte Grün walisischer Schafsweiden zeigten, gaukelten einem hier tief unter der Erde so etwas wie Tageslicht vor. Im Augenblick war auf den Bildschirmen allerdings eine besonders schmuddelige kleine Straße irgendwo in der Nähe von Seven Dials im Nieselregen zu sehen.
»Fangen Sie an, Mr Purdy. Ich warte.«
Und Purdy begann zu erzählen.
Wie sich herausgestellt hatte, waren die Leitungen schuld. Und die alten Abwasserrohre, die noch aus der Gründerzeit der Agency stammten. Oder der seit Jahrzehnten desolate Zustand der Londoner Kanalisation im Allgemeinen. Eigentlich wohl alles zusammen, denn so, wie es aussah, hatte ein Lkw beim Rückwärtseinparken in die schmale Garageneinfahrt einer koscheren Schlachterei in der Dorchester Row einen schweren eisernen Gullydeckel verschoben und damit den fatalen Systemausfall ausgelöst.
»Ein verschobener Gullydeckel im Hof einer Schlachterei?« Nights Augen hatten sich zu dünnen kleinen Schlitzen zusammengezogen. Sicher kein gutes Zeichen. »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen, oder was?«
»Ja, Sir.« Purdy räusperte sich und versuchte, Haltung zu bewahren. »Was Ihre erste Frage angeht, meine ich. Was Ihre zweite betrifft: Nein, natürlich nicht, Sir. Es war eine Kettenreaktion, Sir. Der Laster drückte den Kanaldeckel gegen ein altes Fallrohr und das wurde aus der Verankerung gerissen. Dummerweise reichte es wohl bis zu einem unserer Kabelstränge runter. Am Ende wurde die Stromzufuhr zum Server gekappt.« Purdy stieß einen resignierten Seufzer aus. »Tja, und das war’s dann.«
Im Grunde grenzte es praktisch an ein Wunder, dass ihnen nicht schon die U-Bahn mehr Schwierigkeiten bereitete, verliefen doch die Röhren der Central, Circle und District Line in unmittelbarer Nähe und keine 20 Meter über ihnen.
»Wirklich sehr bedauerlich«, sagte Mr Night. »Was haben Sie eigentlich getan, um zu gewährleisten, dass wir den Zuschlag erhalten, Mr Purdy?«
»Ich verstehe nicht, Sir.«
»Was Sie getan haben, damit wir den Koffer bekommen?« Mr Night stand auf und trat hinter dem Schreibtisch hervor. » Wir, Mr Purdy. Wir, und nicht jemand anders.«
»Aber das wissen Sie doch, Sir«, sagte er. »Die Störsender.« Die eigene Stimme klang Purdy völlig fremd in den Ohren und das ungute Gefühl in seiner Magengrube verstärkte sich.
»Und außerdem?«
»Die Sender waren stets zuverlässig, Sir.«
»Heute nicht, Mr Purdy.« Mr Night schnaufte. »Heute nicht!«
»Ich weiß, Sir.«
»Warum zum Geier haben Sie
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