Das Frauenkomplott
nichts wissen, das hatte sich Ruth ausbedungen, und so hatten wir uns es auch gegenseitig versprochen, Rosa gegenüber nichts verlauten zu lassen. Ruth wollte ihre Beziehung zu Rosa nicht dadurch gefährden, dass sie sie ungefragt zur Komplizin machte. Sie wollte auf jeden Fall verhindern, dass Rosas gutes, aber distanziertes Verhältnis zu ihrem Vater darunter leiden würde. Wie das allerdings ohne Schrammen abgehen sollte, war uns beiden nicht klar. Deshalb blieben wir so lange in alter Unschuld sitzen, wie es ging.
»Ich telefoniere mal ein bisschen!«, sagte Rosa gegen acht, klimperte kokett mit den Lidern, griff sich das Telefon und verschwand nach oben.
Mein Handy schwieg seit Stunden. Im Zug hatte ich es wieder angemacht, aber ich hatte bis jetzt noch keinen einzigen Anruf erhalten. Mari war informiert, dass alles erledigt war. Ich hatte sie in ihrem Zimmer an der Ostsee erreicht und nur kurz Bescheid gegeben, dass sie zurückkommen könne. Manuel hatte ich im Zug abermals auf die Box gesprochen, aber bis jetzt hatte er nicht zurückgerufen. Nun wollte ich nicht noch ein drittes Mal nach meinen vielen Telefonaten im Zug ins Leere laufen und mit der Box kommunizieren, also versuchte ich es nicht noch einmal. Als Rosa jedoch gegangen war, dachte ich nur noch an das nicht klingelnde Handy, an nichts anderes mehr. Und daran, dass Männer nicht wissen sollten, dass die Frauen zu verliebt sind. Eine meiner Lebensweisheiten, die Rosa mit ihren neunzehn Jahren eben erfolgreich außer Kraft setzte.
»Was ist los, du siehst so ernst aus, Karoline.« Ruth legte ihre Hand auf meine. »Es tut mir leid, ich hätte das nicht zulassen dürfen!« Sie begann zu weinen.
»Ruth, bist du verrückt?« Ich sah sie an und schluckte. »Ich bin total verliebt, und diese ganze Angelegenheit ist mir mitten in meine Liebesaffäre geschossen.«
An diesem Punkt platzte bei mir der Knoten und ich erzählte und erzählte. Und Ruth hörte mir zu und verstand, dass ich fast delirierte von dem wunderbarsten Mann, den ich mir je hätte träumen können. Was erzählt ist, ist in der Welt und kann beurteilt werden. Als ich meine Ängste und Hoffnungen Ruth gegenüber ausgesprochen hatte, war mir selbst die Bedeutung klar geworden, die das für mich hatte: Ich hatte aufgegeben, mich gegen die Abhängigkeit zu widersetzen, in die die Liebe den Menschen manövriert.
»Dich hat es ja wirklich erwischt!«
»Ja!«
»Und warum rufst du ihn jetzt nicht endlich an?« Ruths Blick war herausfordernd und weil sie mich besser kannte als irgendjemand anders auf der Welt, setzte sie noch hinzu: »Der Mann ist dir doch verfallen, lass ihn nicht zappeln!« Damit stand sie auf, ging zum Ofen und schichtete ein wenig Holz auf.
Ich schnappte mir mein Handy und ging damit vor die Küchentür.
Es klingelte zweimal.
»Warum hast du mich so lange warten lassen?«, fragte die schönste Stimme der Welt, und vor Rührung sagte ich erst einmal nur »Oh«, und bat ihn mit dem nächsten Atemzug, diese Frage noch einmal zu wiederholen. Das tat er.
»Warum hast du mich denn nicht angerufen?«, fragte ich ihn dann und Manuel erinnerte mich daran, dass ich ihm den ganzen Tag immer wieder gewichtig hinterlassen habe, er solle mich nicht anrufen, ich würde mich abends selbst melden. Er täte, was die Prinzessin ihm auftrage. Fast eine halbe Stunde säuselten wir noch ins Telefon, bis uns nichts mehr einfiel, und ich kam verklärt und durchgefroren zurück ins Haus.
»Na bitte!«, kommentierte Ruth nur und legte die Zeitung zur Seite.
Auch Rosa kam wieder herunter. Wir blieben die nächsten paar Stunden vor dem Ofen hocken und Rosa und ich erzählten uns gegenseitig von den guten Seiten der Liebe. Ruth lag auf ihrem Sofa und freute sich über ihre gut gelaunte Tochter.
*
»Wo bringen wir denn Mari jetzt noch unter?«, fragte Ruth.
Es war Montagmittag, Ruth war gerade aus der Apotheke wiedergekommen, Rosa hatte das Unkraut im Beet vor dem Haus neben dem Sitzplatz gehackt, und ich hatte mich gerade angezogen. Die Anstrengungen der letzten beiden Tage hatten mich niedergestreckt und als ich gegen elf Uhr verschlafen nach unten kam, schickte mich die zarte Rosa resolut in die Badewanne.
»Ich bring dir einen Tee!«, ordnete sie an und so lag ich noch fast eine weitere Stunde in dem beduselnden, lauen Wasser und ließ es mir gut gehen. Den Vorwand eines Kunst-Kaufs in Hannover hatte ich Manuel gestern als Unsinn offenbart und ihm einfach die Wahrheit gesagt. Dass ich bei
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