Das Frauenkomplott
ich bin doch gar nicht mit eingeplant!«
»Doch, ich habe Monika heute Nachmittag angerufen und gesagt, dass du mitkommst!«
Ich war beruhigt. Nicht nur, weil ich mich jetzt eingeladen fühlte, sondern auch weil Ruth offensichtlich in der Lage war, auch vernünftige Sachen zu machen. Am Nachmittag hatten wir uns nämlich tatsächlich noch ausruhen können. Ruth war in ihrem Zimmer verschwunden und hatte geschlafen. Ich war in der Zeit spazieren gegangen, meinen Lieblingsspaziergang am Bach entlang durch den lichten Buchenwald. Der Boden zwischen den weit auseinanderstehenden alten und hohen Bäumen war mit dem weichen Laub vieler Jahre bedeckt, das bei jedem Schnitt raschelte. Ich ging immer nur bis an die erste Ecke des weiterführenden Waldweges, höchstens 500 Meter vom Haus entfernt, und im Bogen durch den Wald und über die Wiese zurück. Ich habe mich noch nie weit entfernt von einem mir bekannten Ort in unbekannte Regionen mit unbekannter Natur. Ich schwärme zwar immer dafür, wenn es aber ernst wird, fürchte ich den Wald und habe Angst, mich zu verlaufen oder auf einen Menschen zu treffen, der genau deshalb in den Wald gegangen ist, um mich zu meucheln. In der Stadt, wo die Chance, um die Ecke gebracht zu werden, um einiges größer ist, gehe ich auch weit nach Mitternacht durch die U-Bahn-Gänge.
Ruth umarmte Monika und drückte ihr ein Küsschen auf die Wange. Dann gab sie Klaus den Umschlag.
»Schön, Ruth, dass du nun nicht allein hier sein musst«, bedeutete Klaus mit einem Blick auf mich. Der Silberbräutigam stand etwas unbeholfen, aber stolz neben seiner Frau und schien glücklich, dass sie es so lange mit ihm ausgehalten hatte.
»Ja, chic siehst du aus, Karoline!«, meinte Monika zu mir.
Ich wusste nicht, ob sie das ernst meinte, darum antwortete ich »Du aber auch!« und setzte hinzu, um Konversation zu betreiben: »Wo hast du das denn her? Das ist ja ein außergewöhnliches Teil.«
Sie zog mich zu sich heran und flüsterte mir verschwörerisch ins Ohr: »Karoline, du glaubst es nicht, das hab ich noch von meiner Mutter. Das hat die sich zu ihrer Silberhochzeit gekauft! Ich hab mir nur die Schleife vorn raufmachen lassen beim Türken in Nomburgshausen am Bahnhof und da auch gleich die Stola gekauft.«
Ich glaubte ihr das ohne Umschweife. Ich habe eigentlich ein Faible für Klamotten aus den 60er-Jahren, aber ich kann sie genauso wenig tragen wie Monika.
Wir mussten weiter, denn hinter uns rückten die letzten Gäste nach. Das hat mich als Berlinerin immer schon fasziniert: Wenn auf dem Dorf ein Fest ist, das um 18.30 Uhr mit Sekt beginnen soll, sind alle um 18.30 da. Alle gleichzeitig. Deshalb kommt es zum Begrüßungsstau. Ich ging zu Gerd, der sich in den Halbkreis derer aufgereiht hatte, die schon durch waren, und nahm mir ein Glas Sekt mit Orangensaft, das von der Bedienung angeboten wurde. Wir unterhielten uns über den Schrauber, der auf dem Anrufbeantworter hinterlassen hatte, dass die Spur doch verzogen war und es teurer werden würde. Gerd hatte nun endlich verstanden, dass niemand für Ruths Unfall verantwortlich war außer sie selbst.
»Die Arme«, meinte Gerd, »sie hat aber auch ein Pech!«
»Wieso?«, wollte ich wissen.
»Na, sie lebt allein. Ohne Friedbert. Ich weiß ja nicht, warum er weggegangen ist.«
Gerd konnte sich nur vorstellen, dass jemand, der allein wohnt, alleingelassen worden ist. Denn Gerd hatte immer noch nicht verstanden, warum seine Frau Gerlinde nach 20 Jahren, ohne ein Wort zu sagen, gegangen war. Er war eines Morgens aufgestanden, in die Küche gegangen und hatte den Kaffee trinken wollen, der sonst immer bereitstand. Da war sie weg. Das merkte er daran, dass kein Kaffee gekocht war. Zehn Jahre war das her. Meiner Meinung nach waren die beiden sich seit ihrer Eheschließung unsympathisch gewesen, und Gerlinde hatte einfach die Konsequenzen gezogen, nicht gerade überstürzt nach zwei Jahrzehnten.
»Gerd, Friedbert ist nicht weggegangen. Er wurde von Ruth ausgemustert.«
Gerd guckte mich gekränkt an.
Ruth kam zu uns, sie hatte sich über die Sitzordnung schlaugemacht und sagte, dass wir als Nachbarn zusammensäßen, in der zweiten langen Reihe, rechts vom Ehrenplatz am unteren Ende. Nach und nach setzten sich alle an ihre ihnen zugedachten Plätze. Das Stimmengewirr, Lachen und Stühlerücken in dem niedrigen Saal brauste einen Moment auf, einige riefen noch »Hierher, hier sitzen wir«, standen wieder auf und mussten an einigen dicken Bäuchen
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