Das Frauenkomplott
gönnte sich aber wenig Wasser zum Ausgleich. Mit Ernst Meier neben mir unterhielt sie sich angeregt. Ernst besaß einen kleinen Hof in Ruths Nachbarschaft, den er im Nebenerwerb bewirtschaftete, und hatte vor einem Jahr über das Fernsehen eine Frau gesucht. Er war dadurch zwar über die Grenzen von Eickdorf und Nomburgshausen bekannt geworden, hatte aber immer noch keine Frau. Allerdings rief ihn ab und an eine alte Schulfreundin an, die beim Nomburgshauser Kreisblatt in der Anzeigenaufnahme saß, wenn sie meinte, eine aufgegebene Kontaktanzeige passe zu ihm.
»So bin ich doch immer wieder unterwegs und hab reichlich Verabredungen.« Ernst wollte seine augenblickliche Berühmtheit noch nutzen und Ruth trank mit ihm daraufhin ein weiteres Glas Wein.
Ich war in Sorge, wie sich das weiterentwickeln würde. Ich hatte Ruth noch nie betrunken gesehen, aber nun hatte sie offenbar vor, das einsame gestrige Besäufnis in Gesellschaft fortzusetzen.
Zwischen dem Hauptgang und dem Nachtisch gab es eine kleine Verschnaufpause, die manche Gäste nutzten, die Runde zu machen und sich mit anderen zu unterhalten als denen, denen sie zugewiesen waren. Die unverdrossenen Raucher gingen nach draußen in den Garten, wo auf manche Tische Aschenbecher gestellt waren. Sie hatten Glück, dass das Wetter gut war, Pech, weil sie nicht über das kalte Wetter meckern konnten und die Härte, mit der Raucher unnachsichtig verfolgt wurden. Ich ging an den geöffneten Flügeltüren vorbei, die zum Garten führten, und drückte mich hinter den Fronttischen im Rücken von Klaus durch, um auf die andere Seite zu kommen. Im unverfänglichen Schlenderschritt kurvte ich auf die Toilettentüren zu und wollte mich dabei irgendwie zufällig an den Rudolf Schmerbuschschen Tisch anpirschen, als mir die Silberbraut unbeabsichtigt den Ball zuspielte.
»Karoline, Karoline!«, rief Monika und wedelte mit ihren Armen, als mache sie Morsezeichen mit ihrer silbergrauen Stola, die sie fast etwas lasziv in ihren Rücken hatte sinken lassen, und nur mit beiden Händen über der Brust festhielt. Sie stand gegenüber von Rudolf Schmerbusch und Mari und hatte sich zwischen die dort sitzenden Gäste geschoben. »Karoline, komm mal her!«
Ich ging auf sie zu und überlegte, was ich denn nun tun sollte, aber die fröhliche Monika machte es mir leicht.
»Karoline, das ist mein Schwager Rudolf, also Klaus’ Bruder, Dr. Schmerbusch« – ich reichte Schmerbusch die Hand – »und seine Freundin.« Monika strahlte Mari an, die freundlich und entspannt lächelte. »Mari Rosenberg.«
Auch noch Rosenberg, Marianne Rosenberg! Warum sehen sich die Eltern nicht vor, wenn sie ihren Kindern einen Namen geben? Ein Kind, das schon, wenn es auf die Welt kommt, so aussieht, dass man es auf keinen Fall Chantal nennen darf, wird trotzdem so genannt, allein weil der Vater René heißt und die Mutter Yasmin. Und wie viele arme Menschen müssen mit dem Namen Wilhelm herumlaufen, weil Vater und Mutter Busch das für Humor halten! Welches Geld haben die Therapeuten schon an den Johanns verdient, die zu ihrem Unglück mit Nachnamen Bach heißen. Ich war so mit meinem Namenskarussel beschäftigt, dass ich fast vergaß, brav zu nicken und »Guten Tag« zu sagen, als Monika mich vorstellte:
»Frau Dr. Karoline Brauer!« Monika hat mich schon immer gemocht und hielt mich, obwohl ich aus Berlin komme, immer für normal. Aber so richtig ins Herz geschlossen hat sie mich, seit ich promoviert habe, und immer noch normal bin. Seitdem ist sie richtig stolz auf mich.
Ich nickte weltläufig und reichte Mari die Hand.
»Guten Abend, Karoline«, sagte Mari und sah mich ruhig an.
»Ihr kennt euch?«, staunte Monika und auch Dr. Schmerbusch schaute interessiert von unten über seine Nickelbrille.
»Ja, wir sind im Zug von Berlin bis Hannover zusammen gefahren!«, bestätigte ich und musterte Bruder Schmerbusch. Auch von Nahem wirkte er nicht so, als dass ich dafür hätte erwägen mögen, irgendetwas aufzugeben. Er hatte von hinten mehr Haare als von vorn, aber von vorn doch mehr Bauch, als ich das von hinten hätte vermuten können. Zum Glück war der ganze Mann nicht zu groß. Aber er schien intelligent zu sein und trug einen Anzug, der eigentlich für die Silberhochzeit bei Riesters ein bisschen zu overdressed war.
»Das ist ja ein netter Zufall«, meinte Dr. Schmerbusch und sah ein wenig traurig aus.
»Rudolf ist auch kein richtiger Doktor, er ist Chemiker, in München!«
Seit ich nach meiner
Weitere Kostenlose Bücher