Das Frauenkomplott
vorbei zurück.
»Da bin ich aber froh, dass wir nebeneinandersitzen!«, säuselte Gerd mir ins Ohr, als er sich neben mir niederließ. Er lächelte mich an. »Tanzt du auch?«
»Später vielleicht, Gerd!« Ich war froh, dass ich endlich saß und tatsächlich eine Tischkarte mit meinem Namen fand. Ans Tanzen wollte ich jetzt noch nicht denken.
Gerd, lang und neugierig, drehte sich fast um die eigene Achse, um zu sehen, ob irgendjemand besser säße als er. Seine Nachbarn und die Bekannten waren aber alle so angeordnet, dass er der Sitzordnung zustimmen konnte. Das Silberpaar thronte in der Mitte, von unserem Platz am hinteren Ende der Reihe gut sichtbar.
»Was hat Monika da nur wieder für einen Fummel an?«, raunte Gerd mir ins Ohr.
Sein Pepita schien mir aus der gleichen Zeit. »Den hat sie sich aufarbeiten lassen, ein Erbstück. Wie dein Sakko.«
Klaus, der Bräutigam, zum Glück kein Freund vieler Worte, klingelte an sein Glas, dankte, dass wir alle gekommen waren und wünschte uns einen schönen Abend und einen guten Appetit. Die Gäste bestätigten ihm durch gemeinsames Gläserklingeln, dass sie das toll fanden und forderten, dass das Brautpaar sich küsste. Der nächste Höhepunkt des Abends nach dem Kuss im Stehen war der Einmarsch der Suppe. An zwei Stellen des Saales wurden die Schwingtüren gleichzeitig aufgestoßen und im Paradeschritt setzte eine Reihe adrett beschürzter Frauen unter Applaus alle zwei Meter eine dampfende Suppenschüssel auf den Tisch.
»Wen hat denn der Schmerbusch da bei sich?« Gerd reckte sich nach links, um besser sehen zu können. »Kennst du die, Ruth?«
»Das ist seine Frau Monika, seit 25 Jahren!« Ruth schien es besser zu gehen.
»Nein, ich meine Rudolf, Rudolf Schmerbusch, seinen Bruder. Der sitzt doch da mit einer Frau, die ich nicht kenne.«
»Und ich kenne Rudolf nicht, der war schon weg, als ich fest hier hinzog.«
»Rudolf war immer bei deiner Oma und hat in den großen botanischen Büchern gelesen, die sie hatte. Der war ganz verrückt nach ihrer Sammlung getrockneter Blumen. Wir sind gleich alt. »
»Gerd, ich weiß das nicht mehr. Ich kenne Rudolf nicht. Rudolf hat schon studiert, als ich mit zwölf anfing, meine Oma regelmäßig zu besuchen!«
Gerd gab sich geschlagen. »Aber wer ist die Frau, mit der Rudolf da ist?« Er duckte sich ein wenig, um von unten im Schutz von Ruth, die ihm gegenübersaß, mit seinen unschuldigen Augen um die Ecke zu schielen.
»Gerd, du wirst das schon rauskriegen.« Ruths Vorschlag, ihn doch einfach zu fragen, immerhin seien sie zusammen in die Grundschule gegangen, quittierte er mit einem leichten Achselzucken und »Nein, das kann ich doch nicht!« Dabei legte er wieder seine große Hand auf seinen kleinen Mund und grinste verschämt.
Ich sah wie alle anderen den Suppenschüsseln entgegen und gleichzeitig in die Richtung, in die Gerd geschielt hatte. Wir beiden Neugierigen saßen zum Glück nebeneinander. Mein Blick blieb an einem Hinterkopf hängen, der mir irgendwie bekannt vorkam. In der zweiten Reihe schräg vor uns am Tisch nahe den Fronttischen beim Silberpaar leuchteten diese goldbraunen seidigen Haare. Nein, schöne seidige gewellte Haare, dachte ich – denke ich immer, wenn ich solche Haare sehe, angesichts meiner kräftigen, gelockten Haare, die ohne Kurspülung immer in alle Richtungen abstehen.
Jetzt mischte ich mich ein, was die Identifizierung der Begleitung von Rudolf Schmerbusch anging. »Wo sitzt sie überhaupt?«
»Du kennst Rudolf?« Gerd schaute mich ganz erstaunt an.
»Nein, aber ich möchte ihn vielleicht kennenlernen. Wo ist denn die Frau, die er mithat?«
»Kennst du die Frau?«
Manchmal weiß ich nicht, ob Gerd mich absichtlich aus der Fassung bringen will oder immer aus dem Muspott kommt. Ich lächelte ihn einfach nur an. »Die da mit dem Rücken zu uns – guck jetzt nicht hin –, die mit dem taubenblauen Seidenkleid.« Warum trug Gerd dieses Pepitasakko, wenn er doch erkannte, dass das Seide war? Das Kleid, von dem er sprach, war in der Tat aus Seide und es gehörte zu dem seidenweichen, goldbraunen gewellten Haar.
Eigenartig, irgendwie kam mir die Frau bekannt vor. Ich reckte meinen Hals, aber nun kam Bewegung in die Menge, denn jemand fing an, mit dem Messer ans Glas zu schlagen und das Jubelpaar wurde auf ein Neues aufgefordert, sich zu küssen. Zuerst nur von vereinzelten Stimmen, die wenig später aber kräftig durch Klingeln unterstützt wurden, vor allem durch das rhythmisch
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