Das fremde Haus
»Veränderungen sind unglaublich beängstigend«, sagt sie. Sie wird immer auf meiner Seite stehen. Ich weiß nur nicht genau, ob das noch gut für mich ist. Vielleicht würde es mir mehr bringen, wenn sie erklärte: »Ja, Connie. Du bist tatsächlich wahnsinnig. Du musst aufhören, auf diese verrückte Weise zu denken.«
»Eines Nachts habe ich Kit um vier Uhr morgens geweckt«, fahre ich mit meinem Bericht fort. »Er hat fest geschlafen, ich musste ihn wachrütteln. Ich war wohl ziemlich hysterisch. Ich hatte die ganze Nacht nicht geschlafen und war völlig aufgelöst. Kit starrte mich an, als wäre ich irgendeine Irre – ich weiß noch genau, wie geschockt er wirkte. Wir können das Haus nicht kaufen, sagte ich zu ihm, wenn es keinen Namen hat – ich kann unmöglich in einem Haus ohne Namen wohnen. Ich wollte, dass wir im Internet nachschauten, ob es möglich war, einem Haus einen Namen zu geben, das noch keinen hatte. Ganz offiziell, meine ich.«
Alice lächelt, als gebe es etwas Verständliches oder Liebenswertes an meinem Wahnsinn.
»Kit sah ein, dass ich mich erst beruhigen und ihn weiterschlafen lassen würde, wenn er eine Lösung für mein selbst gemachtes Problem gefunden hätte, also erklärte er sich bereit, die Frage zu recherchieren. Was er im Netz fand, reichte aus, mich zu überzeugen, dass es keinen Grund zur Sorge gab. Wir konnten dem Haus einen Namen geben, wenn wir wollten. Es ist ganz einfach – man muss es nur der Post mitteilen. Er schlug vor, es ›Das Irrenhaus‹ zu nennen.«
»Das muss Sie verletzt haben«, sagt Alice.
»Nein, gar nicht. Ich begann zu lachen – ich hielt es für den besten Witz, den ich je gehört hatte. Ich war ja so erleichtert, dass alles gut werden würde – Kit würde das Haus bekommen, das er liebte, und ich konnte dafür sorgen, dass es mir wie ein Zuhause vorkam, indem ich ihm einen Namen gab. Klar, auf irgendeiner Ebene muss ich gewusst haben, dass mir schon irgendein neuer Hinderungsgrund einfallen würde …« Angewidert schüttle ich den Kopf. »Ich frage mich, was es wohl gewesen wäre, ob mir die Türklinken nicht gepasst hätten, oder der Briefkasten. Meine Hysterie hätte sich an irgendetwas festgemacht, aber das habe ich damals nicht erkannt. Kit war ebenfalls erleichtert. Wir waren fast … ich weiß nicht, es war fast, als würden wir feiern. Wir gingen nicht sofort wieder ins Bett, sondern blieben auf, schauten uns Hausnamen-Seiten im Netz an und lachten über die abstrusen Vorschläge, die da gemacht wurden. Offenbar sind witzige Namen sehr beliebt, jedenfalls laut dieser Website. Ich konnte das kaum glauben, aber Kit meinte, er könne sich durchaus vorstellen, dass einige seiner Kollegen ihr Haus so nennen würden. ›Es ist ein häufiges Leiden, sich für witzig zu halten, obwohl man es nicht ist‹, sagte er. ›Costa Fortuna. Ebenso gut könnte man sein Haus ›Ich bin ein Langweiler‹ taufen‹. Ich wollte von ihm wissen, wie er denn unser Haus nennen würde.«
»Und was hat er gesagt?«
»Oh, er machte jede Menge blöder Vorschläge – bewusst blöd, er wollte mich aufziehen. Ich glaube nicht, dass er sich sonderlich angestrengt hat – er wusste, dass es nicht seine Sache war. Der Name musste perfekt sein, und er musste mir einfallen – ein Name, der mir sagen würde: ›Das ist mein Zuhause‹, damit meine Angstzustände weggingen. Kit fing an, Blödsinn zu reden. ›Ich habe eine Idee‹, verkündete er. ›Nennen wir es doch das Death Button-Zentrum. Das Todesknopf-Zentrum. Das würde die Leute vom Beth Dutton-Zentrum ganz schön ärgern, meinst du nicht? Oder den Postboten.‹ Ich sagte, er solle nicht albern sein. Ich hätte wissen müssen, dass ich ihn damit nur noch mehr anstacheln würde.« Die Szene, die ich so viele Jahre vergessen hatte, steht mir plötzlich deutlicher vor Augen als die Wirklichkeit. Ich kann mich selbst am Schreibtisch in unserer Wohnung im Martland Tower sitzen sehen, Kit hockt neben mir, wir sind beide im Schlafanzug. Damals hatten wir nur einen Schreibtischstuhl. Ich lachte aus vollem Halse, so laut, dass ich Kits Stimme kaum noch hören konnte, und Lachtränen liefen mir übers Gesicht. »Er tat so, als wäre es ihm todernst. ›Je länger ich darüber nachdenke, desto besser gefällt es mir‹, meinte er. Wir könnten eine Plakette an der Haustür anbringen. Nein, ich weiß etwas noch Besseres: Nennen wir es doch Pardoner Lane 17 …« Die Worte bleiben mir in der Kehle stecken, als eine neue
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