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Das fremde Haus

Das fremde Haus

Titel: Das fremde Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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Angst mich durchfährt. Was ist es? Was ist los?
    Das Death Button-Zentrum. Das Todesknopf-Zentrum …
    Ich stehe auf, taumle und lehne mich gegen die Wand.
    »Connie? Was ist los?«
    Ich weiß jetzt, was ich gesehen habe – das fehlende Detail, das mir nicht einfallen wollte. Ja. Es war da gewesen. Es war eindeutig dagewesen, auf dem Bild mit der toten Frau und dem Blut. Aber nicht auf dem Foto des Wohnzimmers, dem Foto ohne die Frau, dem Bild, das ich zu sehen bekommen würde, wenn ich jetzt den virtuellen Rundgang durch Bentley Grove 11 anklicken würde. Auf diesem Bild fehlt es. »Ich muss los«, sage ich zu Alice. Ich greife nach meiner Handtasche und laufe los, ignoriere ihre Bitten, doch noch zu bleiben. Das Fläschchen mit dem Mittel, das sie für mich vorbereitet hat, lasse ich am Rand des Schreibtischs stehen.

Asservaten-Nr. CB13345/432/25IG
    VULKAN
    V on Lava umgeben
    U nd Hitze durchströmt, stehe ich auf einem Stein
    L ava fließt den Vulkan hinunter
    K ann nichts mehr hören vor lauter Knall
    A lle Leute laufen nachhaus
    N ur ich bleibe hier, und ruhe mich aus.
    Tilly Gilpatrick, 20. April 2010
    Super Arbeit, Tilly! Sehr schöne Bilder!
    Nein, es ist ein furchtbares Gedicht, sogar für eine Fünfjährige.
    Das ist ein gutes Gedicht:
    Als Rauch aufstieg von Ludlow,
am Teme der Dunst zerrann,
im Gegenlicht des Morgens schritt fröhlich ich voran
mit Pflugschar und Gespann.
    In einem Busch die Amsel
sah auf, als ich so schritt,
sie lauschte auf mein Pfeifen
zu schwerer Hufe Tritt.
Dann flötete sie mit:
    »Laß sein! Laß sein, mein Junge.
Auf! Auf! – Bringt das Gewinn?
Steh auf an tausend Tagen,
zum Schluß legst du dich hin.
Ist das des Lebens Sinn?«
    Mit ihrem gelben Schnabel
Sang sie. Mir wurd’s zu viel,
und einen Stein nahm ich, warf ihn,
der Vogel war mein Ziel.
Da war der Vogel still.

16
    23. 7. 2010
    Ian Grint war früh dran. Simon hatte sich das schon gedacht. Er hatte den Zorn des anderen Ermittlers gespürt, die Ungeduld eines Mannes, der unbedingt und möglichst rasch beweisen will, dass andere sich irren. Grint ging zum Tresen, sah Simon an und tat so, als würde er ein Glas heben. Simon nickte. Er hatte nicht so viel Zeit gebraucht wie erwartet. Da er schon vor einer halben Stunde mit seiner Lektüre fertig geworden war, hatte er noch einen kleinen Spaziergang gemacht. Der Pub, den Grint ausgesucht hatte, das »Live and Let Live«, lag in einer reinen Wohngegend. Er hatte also keins der historischen Collegebauten zu Gesicht bekommen, die er sich Charlie zufolge unbedingt ansehen musste, weil sie so schön waren, nur Häuser und noch eine kleine Kneipe: das »Six Bells«.
    Bei seinem Umherstreifen war Simon zu dem Schluss gelangt, dass Cambridge ein fantasievollerer Ort war als Spilling. Und auch toleranter. Die Farben der Haustüren hatten ihn überrascht: gelb, orange, lila, rosa, türkis. Offenbar fanden die Einwohner von Cambridge, dass alle Farbtöne infrage kamen, während in Spilling die meisten Leute für einen dunklen, würdevollen Anstrich optierten: schwarz, dunkelrot, dunkelgrün. Simon bezweifelte, dass es im ganzen Culver Valley auch nur eine einzige orange gestrichene Haustür gab.
    In Spilling waren die Namen der Pubs langweilig traditionell: das »Brown Cow » , das »Star«, das »Wheatsheaf«, das »Crown«. Niemals, in einer Million Jahren nicht, würde ein Wirt im Culver Valley sein Lokal das »Live and Let Live« nennen. »Leben und an jedem herumnörgeln, der nicht so lebt wie man selbst« möglicherweise – kurz das »Leben und Lästern«. Oder, noch ulkiger, das »Liv und Chris Gibbs« – das wäre mal ein Pub, in das Charlie ganz sicher keinen Fuß setzen würde.
    Simon räumte die Papiere vom Tisch und legte sie auf den Stuhl neben sich, als Grint mit ihren Bieren kam. »Ich hoffe, es war keiner von meinen geschätzten Kollegen hier und hat Ihnen über die Schulter gelinst«, sagte Grint. »So gern ich im Augenblick auch gefeuert werden würde, ich sollte vermutlich versuchen, es zu vermeiden. Ich glaube kaum, dass meine Frau sonderlich angetan davon wäre.«
    »Ich muss Sie enttäuschen«, meinte Simon. »Ich habe nicht viel gefunden. Nichts, was Sie Ihrem DI vorlegen könnten, um zu sagen: ›Hier, ein neuer Anhaltspunkt, etwas, das Bewegung in die Sache bringt.‹«
    »Aber Sie haben etwas gefunden?«
    »Etwas und nichts. Die Aussagen, die Kit und Connie Bowskill unterschrieben haben – wurden die beiden einzeln vernommen oder –«
    »Einzeln.«

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