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Das fremde Haus

Das fremde Haus

Titel: Das fremde Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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nicht heißen erfunden. Wahnsinn ist ebenso real wie geistige Gesundheit. Ein Menschenleben kann zerstört oder beendet werden, ohne dass wir immer begreifen müssten warum – der Täter muss sich nur selbst begreifen. Manchmal ist nicht einmal das der Fall.« Sofort wünschte Sam, ihm wäre diese Bemerkung nicht eingefallen, denn sie hing mit der Erinnerung an einen der zahlreichen Fälle zusammen, bei denen Simon richtig gelegen hatte und Sam falsch, obwohl er nur der Vernunft gefolgt war und das geglaubt hatte, was wahrscheinlicher schien.
    Er seufzte. Als Simons Stellvertreter würde er alles tun, was in seiner Macht stand, um eine Leiche zu finden, an die er nicht glaubte – eine Frau in einem grünlila Kleid. Er hatte bereits die Kollegen in Cambridge informiert und klargestellt, dass er erwartete, dass etwas unternommen wurde – sobald sie aufgehört hatten, sich vor Lachen auszuschütten.
    »Sam?«
    Er blickte auf und sah eine Frau mit wasserstoffblondem Kurzhaarschnitt, einer Brille mit rotbrauner Plastikfassung und schimmerndem Lippenstift im Rot der Londoner Busse. Sie trug ein langes, ärmelloses rosa Kleid, flache Goldsandalen und eine löchrige Tasche, die aussah, als wäre sie aus den abgeschnittenen Enden zahlreicher Seile zusammengeknotet worden. Die Löcher waren gewollt, keine Folge von Abnutzung, und erlaubten Sam, einen Teil des Inhalts zu sehen: eine rote Brieftasche, einen Umschlag und ein paar Schlüssel.
    »Alice Bean.« Sie lächelte und streckte ihm die Hand entgegen. »Sie haben keine Ahnung, wie seltsam das für mich ist. Seit fast sieben Jahren habe ich keinen Fuß mehr in dieses Lokal gesetzt. Wenn mir ganz komisch werden sollte, wissen Sie ja warum.«
    »Möchten Sie etwas trinken?«, fragte Sam und schüttelte ihr die Hand.
    »Zitronenlimonade wäre wunderbar. Mit viel Eis. Das ist ein Kindergetränk, ich weiß, aber bei dieser Hitze einfach das Beste. Auf der Fahrt hierher muss ich fast einen Liter ausgeschwitzt haben.«
    Sam musterte sie aus den Augenwinkeln, während er sich am Tresen anstellte. Hübsch war sie ja zweifellos, aber ihr Haar hatte ihn überrascht – der extreme Kurzhaarschnitt und die Farbe. Und die rotbraune Brille, und vor allem der Lippenstift. Er hätte nicht gedacht, dass Simon … Aber das setzte voraus, dass Alice vor sieben Jahren genauso ausgesehen hatte wie jetzt oder dass sich leicht vorhersehen ließ, welche Frau Simon gefallen würde. Und warum sollte das so sein, wenn sonst nichts an Simon berechenbar war? Als er Charlie einen Heiratsantrag gemacht hatte, war sie noch nicht mal seine Freundin gewesen.
    »Connie hat Ihnen also meine Nummer gegeben?«, sagte Alice, als Sam die Limonade auf dem Tisch vor ihr abstellte.
    »Hat sie nicht. Ich habe sie auch nicht danach gefragt. Ich habe in den Gelben Seiten nachgeschlagen, unter ›Alternativmedizin – Homöopathen‹. Eine Alice Fancourt stand nicht drin, aber ich dachte mir, Alice Bean würde es vielleicht auch tun, und so war es ja auch.«
    »Bean ist mein Mädchenname. Fancourt heiße ich schon seit Jahren nicht mehr.«
    »Arbeiten Sie immer am Samstag?«
    »Nein. Ich habe heute nicht gearbeitet. Ich war nur kurz im Zentrum für Alternativmedizin, um ein Mittel für meine Tochter Florence zu holen, die sich einen Magen-Darm-Virus eingefangen hat. Sie hatten Glück, dass Sie mich erwischt haben. Und ich hoffe, es erwischt Sie nicht, aber es könnte sein, also sagen Sie nicht, dass ich Sie nicht gewarnt hätte. Ich hatte den Virus vor Florence, und vor mir hatten ihn alle anderen im Zentrum. Er breitet sich rasch aus. Ist aber auch schnell wieder vorbei, das ist das Positive. Vierundzwanzig Stunden Durchfall und Erbrechen, dann wandert es zum nächsten armen Schwein.«
    Klasse. Etwas, worauf man sich freuen konnte.
    »Ich will Sie nicht lange aufhalten«, sagte Sam, »wenn Ihre Tochter krank ist.«
    »Sie ist gut versorgt. Sie ist bei meiner Freundin Briony, die wie eine zweite Mutter für sie ist. Halten Sie mich auf, solange Sie wollen. Ich verspreche, es Ihnen nicht allzu schwer zu machen, indem ich peinliche Fragen stelle.«
    Sam versuchte, sein Erstaunen zu verbergen. War nicht er eigentlich derjenige, der hier die Fragen stellte? »Worüber denn zum Beispiel?«, fragte er.
    »Über Simon. Er würde nicht wollen, dass Sie mit mir über ihn reden – das weiß ich.« Alice griff in ihre Tasche, zog den Umschlag hervor, den Sam schon durch die Löcher hindurch erspäht hatte, und hielt ihm den

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