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Das fremde Haus

Das fremde Haus

Titel: Das fremde Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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und hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt.
    »Doch! Wir müssen anfangen, so zu tun, als wären wir keine verruchten gottlosen Degenerierten. Wenn wir jetzt damit anfangen, wird es nicht allzu lange dauern, bis es überzeugend wirkt – wenn wir Glück haben, könnten wir bereits heute Abend daran glauben.« Gibbs lächelte fast, aber er rührte sich nicht. Olivias Handy zufolge war es zwei Uhr mittags. Im Hotelzimmer war es immer noch genauso dunkel wie vor zwölf Stunden, als sie hereingestolpert waren. Die Rollos und die dicken Vorhänge nahmen es ernster mit der Erhaltung der Nacht als sämtliche Verdunklungsvorrichtungen, denen Olivia je zuvor begegnet war – das Tageslicht hatte keine Chance.
    »Musst du nicht irgendwann nach Hause? Hast du kein Leben, keine Pläne, keine Termine? Ich habe alles drei.« Sie gab es auf, ihn zu schieben. Es brachte nichts und tat ihr an den Händen weh.
    Gibbs rollte sich auf die Seite, damit er sie ansehen konnte. Es war schon komisch, sie sagte zwar Chris zu ihm, aber in Gedanken nannte sie ihn Gibbs, wie Simon es tat. Ob sich das noch ändern würde? Innerlich rügte sie sich wegen der Verwendung der Zukunftsform in Bezug auf ihn. Sie musste sich zusammenreißen, aber wie konnte sie das, wenn er neben ihr lag und Hitze ausstrahlte?
    »Versuchst du, mich loszuwerden?«, fragte er.
    »Ja, aber … nicht aus einem unguten Grund.«
    »Gibt es auch einen guten Grund?«
    »Natürlich. Unmengen. Es gibt die Selbstaufopferung: ›Schneide mich los und rette dich, solange du noch kannst‹, und es gibt …« Olivia verstummte und erinnerte sich, wie er sie mit der Sonntagsbeilage einer Zeitung verglichen hatte und warum er das getan hatte. »Wir müssen das Zimmer um drei geräumt haben«, sagte sie forsch, um ihre Verlegenheit zu kaschieren. »Ich kann nicht noch mal anrufen und um Verlängerung bitten.«
    »Was sind die anderen guten Gründe?«, fragte Gibbs. Konnte es sein, dass ihn das tatsächlich interessierte?
    Sie konnte ihm nicht die Wahrheit sagen. Sie hatte gerade Sex mit ihm gehabt, drei Mal. Wenn es eine Situation gab, die nach dem Gegenteil von Wahrheit verlangte, dann diese.
    »Ich gehe nirgendwohin, wenn du es mir nicht sagst«, drohte er.
    »Um Himmels willen! Also schön, vielleicht habe ich ja damit Erfolg, wenn es schon nichts gebracht hat, dich aus dem Bett schieben zu wollen. Ein anderer guter Grund ist: Ich will, dass du gehst, damit ich den Rest des Tages damit zubringen kann, obsessiv an alle Aspekte von dir zu denken und jedes deiner Worte und alles, was du getan hast, im Geist noch einmal durchzugehen, ohne Unterlass und ausschließlich.«
    Gibbs grinste. »Es ist einfacher für dich, an mich zu denken, wenn ich bleibe.«
    »Falsch. Solange du hier bist, bin ich zu beschäftigt damit, mich zu fragen, was du wohl denkst, um selbst viel denken zu können.«
    »Ich denke gar nichts, abgesehen davon, dass ich dich wieder vögeln möchte, aber ich bin zu geschafft.«
    »Ich höre nicht zu, ich höre nicht zu!« Olivia bedeckte beide Ohren mit den Händen. »Hör auf, noch mehr Worte zusätzlich zu denen hinzuzufügen, die ich bereits habe. Ich muss erst die Rückstände aufarbeiten. Lach nicht – ich meine es ernst. Bitte geh einfach. Sag nichts mehr.«
    »Damit du an mich denken kannst?«
    »Ja.«
    »Und an nichts anderes?«
    »Nicht, bis ich den Rückstand aufgearbeitet habe, nein.«
    Gibbs nickte, als wäre ihre Bitte vollkommen vernünftig. Er setzte sich auf und fing an, seine Sachen zusammenzusuchen. Olivia warf erneut einen Blick auf ihr Handy. Fünf nach zwei. Jetzt, wo die Aussicht bestand, dass er bald gehen würde, wurde sie ganz aufgeregt. Es gab da einiges, das sie erledigen musste, und zwar dringend. Ganz oben auf der Tagesordnung stand das Ablassen von Dampf auf wenig würdevolle Weise, indem sie im Kreis herumrannte und »O mein Gott, o mein Gott, o mein Gott!«, schrie. Danach würde sie sich vor den bodenlangen Spiegel neben der Tür stellen und ihr Gesicht und ihren Körper betrachten, als hätte sie beides noch nie zuvor gesehen und würde auch nie wieder die Chance dazu bekommen – der Versuch, sich so zu sehen, wie Gibbs sie sah, mit seinen Augen. Der dritte Punkt auf der Liste war ein Anruf bei Charlie, oder vielmehr bei dem Verwalter von »Los Delfines«, dessen Nummer auf der Website stand, um ihn zu bitten, Charlie etwas auszurichten – sie solle sie zurückrufen. Jede anständige Schwester – und das war Charlie normalerweise

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