Das fremde Haus
Fran mitfühlend und verständnisvoll, aber auch erleichtert. Ich bin ganz sicher, dass es so ist, aber ich kann es nicht beweisen. Und momentan gibt es eine ganze Menge, was ich nicht beweisen kann.
Fran und Anton leben in einem Cottage, das Thatchers heißt, kleiner ist als unser Haus und näher bei meinen Eltern liegt – fast direkt gegenüber, auf der anderen Seite des Dorfangers. Wie Melrose Cottage hat Thatchers zwei Zimmer oben und zwei Zimmer unten, aber die Küche ist nur ein winziger Schlauch am Ende des Wohnzimmers, und die Schlafzimmer liegen unter dem Reetdach und haben Schrägen, sodass man kaum aufrecht darin stehen kann. Dennoch leiden Anton und Fran nicht unter Platzmangel, denn seit Benjis Geburt sind sie praktisch in Thorrold House eingezogen. Thatchers, das sie beharrlich als ihr Zuhause bezeichnen, steht den größten Teil der Zeit leer.
Warum weist sie eigentlich nie jemand darauf hin, wie verrückt es ist, ein Haus zu haben, in dem sich praktisch nie jemand aufhält? Jedenfalls ist es verrückter, als sich im Internet Häuser in Cambridge anzusehen. Deutlich verrückter, als darüber nachzudenken, in eine der schönsten, lebendigsten Städte von ganz England zu ziehen, anstatt den Rest seines Lebens in Little Holling, Silsford, zuzubringen, einem Dorf mit einem einzigen Pub und weniger als tausend Einwohnern.
»Beachte Connie gar nicht, Anton«, sagt meine Mutter. »Sie hat ganz offensichtlich den Verstand verloren.«
»Sie kann es ja wiedergutmachen.« Anton zwinkert mir zu. »Extra Babysitten, Con, okay?«
Ich versuche zu lächeln, obwohl die Aussicht, noch öfter auf Benji aufpassen zu müssen, mich mit Wut erfüllt. Ich passe bereits jeden Dienstagabend auf ihn auf. Das ist so in meiner Familie: Wenn irgendwas einmal gemacht wurde und es lief gut, schlägt garantiert sofort jemand vor, es zur Familientradition zu erheben.
»Einen Schokokeks, zwei Schokokekse, drei Schokokekse!« Fran legt bei ihren Verhandlungen mit Benji noch einen drauf, um ihre Unterstützung für Anton und seine albernen Stimmenimitationen zu demonstrieren. Sie ist auf seiner Seite, mein Vater ist auf der Seite meiner Mutter, meine Mutter auf der Seite meines Vaters, und niemand ist auf meiner Seite. Das ist mir nur recht. Wenn ich mich dadurch weniger wie eine der Little Holling-Monks fühlen muss, kann es nur eine gute Sache sein.
»Mit meinen fünf Sinnen ist alles in Ordnung«, kontere ich. »Ich weiß, was ich gesehen habe. Ich habe eine Tote in diesem Zimmer gesehen, die in einer Blutlache lag. Der Mann von der Kripo, mit dem ich heute Morgen gesprochen habe, nimmt die Sache ernst. Wenn ihr das nicht tut, ist das euer Bier.«
»Oh Connie, hör dir doch mal selbst zu!«, jammert meine Mutter.
»Verschwende deinen Atem nicht, Val«, murmelt mein Vater. »Wann hätte sie je auf uns gehört?« Er hebt den rechten Arm und betrachtet den Tisch darunter, als erwarte er, dort etwas vorzufinden. »Was ist eigentlich aus dem Tee geworden, den du machen wolltest?«
»Tut mir leid, aber das ergibt einfach keinen Sinn, Liebes«, sagt meine Mutter mit gedämpfter Stimme zu mir, während sie den Kessel neu füllt. Sie wirft schuldbewusste Blicke auf meinen Vater und hofft, dass ihm ihre fortgesetzte Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der Tochter, die er gerade als nicht der Beachtung wert abgetan hat, nicht auffallen wird. »Ich meine, man muss doch nur zwei Sekunden darüber nachdenken, damit einem klar wird, dass es gar nicht sein kann. Warum sollte jemand die Leiche einer ermordeten Frau auf eine Immobilien-Website stellen? Der Mörder würde das kaum tun, oder, weil er ja seine Tat verbergen will. Ein Makler auch nicht, denn er will ja das Haus verkaufen, und niemand würde ein Haus kaufen, das –«
»Abgesehen von meiner ältesten Tochter«, verkündet mein Vater lautstark. »Die nicht nur meine Tochter ist, sondern auch meine Buchhalterin, was es noch besorgniserregender macht. Oh, sie ist nur zu gern bereit, sich bis zum Hals zu verschulden, um das grausige Todeshaus für 1,2 Millionen Pfund zu kaufen!« Ich weiß nicht, warum er dabei Benji böse anschaut, als wäre alles die Schuld seines Enkels.
»Papi, ich will das Haus nicht kaufen. Das kann ich mir gar nicht leisten. Du hörst mir nicht zu.« Wie immer. Und was sollte der Kommentar mit der Buchhalterin? Befürchtet er, dass ich Geld unterschlagen könnte? Dass meine liederlichen Tendenzen das Familienunternehmen in den Ruin treiben werden? Ich
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