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Das fremde Haus

Das fremde Haus

Titel: Das fremde Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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geäußert habe, ohne Notizen zurate ziehen zu müssen. Vielleicht ist ja unter den rosa Schmetterlingen ein Aufnahmegerät versteckt. »Warum sind Sie trotzdem hingegangen, nach einer schlaflosen Nacht und nachdem Sie gerade den schlimmsten Schock Ihres Lebens erlitten hatten?«
    »Ich musste es ihnen sagen. Ein Ermittler von der Kripo war da, um mich zu befragen. Das ist … eine zu große Sache, um es ihnen zu verschweigen, zu wichtig. Ich kann nicht mit der Polizei zu tun haben und das vor meiner Familie geheim halten.«
    »Können Sie nicht?«
    Keine Geheimnisse zwischen Menschen, die einander lieben. Das ist mir mein ganzes Leben lang eingehämmert worden. Ich weiß nicht, ob es möglich ist, diese Programmierung jemandem zu erklären, der das nicht selbst erlebt hat.
    »Und doch haben Sie die andere große wichtige Sache in Ihrem Leben für sich behalten«, gibt Alice zu bedenken. »Das Problem, das Sie seit Januar so stark beschäftigt.«
    Ich lache, obwohl ich am liebsten geweint hätte. »Das ist nicht dasselbe. Wahrscheinlich ist es ja gar nichts.«
    »Das mit der Toten vielleicht auch nicht, wenn Sie sich die Sache nur eingebildet haben.«
    »Ich habe es mir nicht eingebildet. Das weiß ich.«
    Alice nimmt ihre Brille ab und lässt sie auf ihren Schoß fallen. »Was im Januar passiert ist, haben Sie sich ebenfalls nicht eingebildet. Sie haben keine Erklärung dafür, aber Sie haben es sich nicht eingebildet.«
    »Ich kann meinen Eltern unmöglich sagen, dass ich fürchte, Kit könnte ein Doppelleben führen, von dem ich nichts weiß.« Wie sich das anhört, einfach furchtbar. »Das ist einfach keine Option. Sie verstehen nicht. Ich mag meinen Nachnamen geändert haben, aber ich bin immer noch eine Monk. Und in der Familie Monk ist alles nett, normal und glücklich. Das ist kein Zufall, es ist eine Regel. Probleme gibt es nicht, niemals, abgesehen davon, dass Benji seinen blöden Brokkoli nicht essen will – schlimmere Dinge sind nicht erlaubt. Es geht gar nicht, es ist absolut verboten, dass irgendwas Merkwürdiges vorgehen könnte – auf schlimme Weise merkwürdig, meine ich. Auf lustige Weise merkwürdig ist erlaubt, solange sich eine gute Anekdote daraus machen lässt.«
    Ich wische mir übers Gesicht und versuche, mich zu fassen. »Es gibt nur eins, was noch schlimmer ist als das auf schlimme Weise Merkwürdige, und das ist Ungewissheit. Meine Eltern dulden keine Unklarheiten irgendwelcher Art – sobald sie sich zu zeigen wagen, wird ihnen klar und deutlich die Tür gewiesen. Und ja, ich habe das bewusst so gesagt. Alles, was meine Eltern tun, tun sie unmissverständlich. Alles, was zweifelhaft, undurchsichtig, vage ist, ist der Feind. Einer der Feinde«, berichtige ich mich. »Der andere Feind ist Veränderung. Und Spontaneität, und Risiko und die ganze Gang, die dazu gehört.«
    »Kein Wunder, dass Ihre Eltern Angst haben«, stellt Alice fest. »Sie haben es selbst gesagt: Sie werden von einer Gang verfolgt.«
    Wird sie mir noch einmal das Mittel geben, das ich letztes Mal bekommen habe? Kalium Phosphoricum hieß es. Für Menschen, die eine Aversion gegen die eigene Familie haben. Kit hatte mir angedroht, die Flasche zu entwenden und das Mittel selbst einzunehmen, als ich ihm das erzählte.
    »Kit ist so unglücklich«, sage ich zu Alice. »Ich habe ihn unglücklich gemacht. Er kann nicht verstehen, warum ich ihm nicht glaube. Ich begreife es ja selbst nicht. Warum kann ich nicht akzeptieren, dass manchmal eben seltsame Dinge passieren, und es dann einfach vergessen? Ich weiß, dass Kit mich liebt. Ich weiß, er möchte verzweifelt gern, dass alles wieder ganz normal wird. Ich bin alles, was er hat, und … ich liebe ihn. Es klingt verrückt, aber ich liebe ihn mehr denn je – ich bin außer mir seinetwegen.«
    »Weil er vielleicht unschuldig ist und seine eigene Frau ihm nicht glauben will?«, errät Alice.
    Ich nicke. »Wie könnte ich es meinen Eltern und Fran erzählen, die ihn dann ebenfalls verdächtigen würden, wenn es keine Möglichkeit gibt, diesen Verdacht auszuräumen? Habe ich Kit nicht schon unglücklich genug gemacht?«
    »Sie erzählen es Ihrer Familie also um seinetwillen nicht?«
    »Um seinetwegen und um ihrer selbst willen. Meine Eltern könnten damit nicht leben – das weiß ich. Sie würden versuchen, mir das ebenfalls zu verbieten. Sie würden einen Privatdetektiv anheuern – das heißt, nein, denn damit würden sie ja zugeben, dass sie in irgendwas Unappetitliches

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