Das fremde Haus
leckeren … So ist es gut! Nur noch ein bisschen weiter …«
»Was denkst du, Anton?«, frage ich ihn.
»Ich glaube nicht, dass du es gesehen hättest, wenn es nicht da war«, sagt er.
Ich ziehe gerade in Erwägung, aufzuspringen und ihn fest in die Arme zu nehmen, als er hinzufügt: »Ich finde, es klingt, als wäre da irgendein Spaßvogel am Werk gewesen. Ich würde mir weiter keine Gedanken deswegen machen.«
Damit ist die Sache für ihn abgetan. Die Antwort ist nur unwesentlich besser als: »Ich habe keine Lust, mich damit zu befassen, viel zu anstrengend.«
»Du solltest dir überhaupt keine Häuser in Cambridge ansehen, egal, was sie kosten«, sagt meine Mutter. »Egal, ob sie für Millionäre oder für arme Schlucker sind. Oder hast du vergessen, was letztes Mal passiert ist, als du das versucht hast?«
»Um Himmels willen, Mutti!«, ruft Fran.
»Zumindest gab es letztes Mal einen Grund – Kits Beförderung.«
Die er nicht annehmen konnte, weil ich alles ruiniert habe. Vielen Dank, dass du mich daran erinnert hast.
»Warum denn jetzt auf einmal?«, fleht sie und wählt die Stimme, die ihr wahrscheinlich die liebste unter ihren vielen Stimmen ist, das schwache, erstickte Gelispel einer gebrochenen Frau. »Du und Kit, ihr habt eine florierende Firma, ein schönes Haus, ihr habt uns ganz in der Nähe, deine Schwester, den entzückenden Benji – warum willst du unbedingt jetzt nach Cambridge ziehen? Ich meine, wenn du nach London wolltest, könnte ich das ja noch verstehen, so oft, wie Kit beruflich dorthinfahren muss – obwohl nur der Himmel weiß, warum irgendjemand den Wunsch hegen sollte, in so einem lauten, dreckigen Höllenloch zu leben –, aber Cambridge …«
»Weil wir schon 2003 dorthin hätten ziehen sollen, und ich es seitdem jeden Tag bereut habe, dass wir es nicht getan haben!«
Ich bin aufgesprungen, weiß aber nicht genau warum. Habe ich vor, aus dem Raum zu stürmen? Aus dem Haus? Meine Eltern starren mich an, als hätten sie nicht verstanden, was ich gerade gesagt habe. Mein Vater wendet sich ab und gibt ein schnaufendes Knurren von sich, einen Laut, den ich nie zuvor gehört habe. Es macht mir Angst.
Warum muss ich immer alles kaputtmachen? Was ist bloß los mit mir?
»Hurra! Benji hat seinen Brokkoli aufgegessen!«, jubelt Anton durch seinen imaginären Lautsprecher, offenbar ohne die unsichtbaren Spannungsfäden zu bemerken, die sich straff gespannt von einem Ende der Küche zum anderen ziehen. Vielleicht leide ich ja unter einer Krankheit, die Halluzinationen verursacht. Ich kann diese Fäden so deutlich sehen, als wären sie real, behängt mit unausgesprochenen Drohungen und leuchtenden Ressentiments, die von ihnen herabhängen wie Weihnachtsbaumschmuck.
»Benji ist der Größte!«, trompetet Anton, während Fran triumphierend die Gabel schwenkt.
»Benji ist fünf, nicht zwei«, fahre ich die beiden an. »Warum versucht ihr nicht mal, ganz normal mit ihm zu reden und nicht wie ein billiger Alleinunterhalter auf einem Kindergeburtstag?«
»Weil«, Anton spricht immer noch in dem falschen dröhnenden Ton, »Benji nur dann seinen Brokkoli isst, wenn Papa so redet und ihn zum Lachen bringt!«
Benji lacht nicht, sondern versucht, nicht zu würgen, während er das verhasste Gemüse herunterschluckt. Antons undurchdringliche Fröhlichkeit erweckt in mir den Wunsch, ihm einen Strom von Beleidigungen entgegenzuschleudern. Ich habe nur ein einziges Mal ein leichtes Stirnrunzeln auf seinem Gesicht gesehen, und das war, als eine Monk & Söhne-Kundin ihn als Hausmann bezeichnet hatte. Fran korrigierte sie hastig, aber es klang erzwungen, auswendig gelernt. Ich machte den Fehler, Kit die Geschichte zu erzählen, der sofort einen Pawlowschen Reflex entwickelte und jetzt jedes Mal, wenn Antons Name fällt, sagt: »Anton – kein Hausmann, sondern Fitnesstrainer, der eine unbefristete berufliche Pause eingelegt hat«.
»Billiger Alleinunterhalter!« Meine Mutter stürzt sich auf meinen Ausdruck. »Natürlich, du lebst ja jetzt in der Luxusklasse mit deinem Haus für 1,2 Millionen.«
»Ein Haus für 1,2 Millionen Pfund, das sie sich unmöglich leisten können«, fügt Fran rasch hinzu. Es stört sie, dass Kit und ich finanziell besser dastehen als sie und Anton, aber ich weiß nicht, ob sie sich das auch eingestehen würde. Es ist schlimmer geworden, seit Kit bei Deloitte aufgehört hat und wir eine eigene Firma gegründet haben. Wenn wir mit Nulli Schiffbruch erleiden würden, wäre
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