Das fünfte Buch: Neue Lebensläufe. 402 Geschichten (German Edition)
Blut, die zwischen der Außenhaut des Gefäßes und der Innenhaut einen Sumpf bildet: Blutsümpfe, welche die Tendenz haben, das Gefäß zu sprengen. Eine tödliche Falle. Dennoch bleiben Minuten, auch nach dem Zeitverbrauch durch rasanten Transport, den Mann auf den Operationstisch zu positionieren, das Operationsfeld freizulegen und noch zwei, drei Worte (Scherzworte) mit ihm zu wechseln, ehe er sediert wird. »Wir müssen den Krieg in Afghanistan jetzt unbedingt beenden.« Das war die vom Chefchirurgen durch eine witzige Bemerkung provozierte scherzhafte Antwort des Moriturus. Zwanzig Stunden lang operierten zwei einander ablösende Teams der renommierten Klinik an Mitte, Seite und Zentrum des Botschafters, an dem sich entweder dessen Körper, dessen Seele oder die überstandene Überforderung beider in diesen Stunden rächte. Was nach der Operation übrigblieb, war aus dem Koma nicht mehr herauszuholen. Eine erschütterte Trauergemeinde, herangereiste Staatsoberhäupter, Diplomatie, zwei US -Präsidenten ehrten den Toten, in dem sie in ihren Reden »pun« verbreiteten. Wir müssen nicht traurig sein, sagten sie, wir freuen uns, daß es ihn gab.
Tausch eines unlösbaren Problems gegen ein lösbares
Ein großer Star muß, so wie er sich kleidet, durch eine Stiftung die Richtung seines Charakters öffentlich darstellen. Die sehr energisch entscheidende, ursprünglich aus der Bronx stammende Popsängerin hatte zwei Mädchen aus Malawi adoptiert und dann eine Stiftung errichtet, die in dem Dorf, aus dem die »Töchter« stammten, eine Schule förderte, in der 500 Mädchen des Landes auf Chancen vorbereitet werden sollten, die sie ohne eine solche Eliteausbildung in Afrika zweifellos nicht hätten. Dazu wurde ein von der Firma Gucci gesponsertes Konzert veranstaltet, dessen Einnahmen den erheblichen Betrag aus dem Privatvermögen der Sängerin ergänzten, der das Anfangskapital der Stiftung darstellte.
Dann kam es vor Ort zu Streitigkeiten unter den Ausführenden. Mitarbeiter, welche von der Stiftung entlassen worden waren, erhoben Klage vor Gericht. Noch immer trugen die Richter der ehemaligen Kolonie Kostüme und Perücken aus dem 18. Jahrhundert wie in Großbritannien; sie besaßen einen breiten Ermessensspielraum bei ihren Urteilen. Funktionäre der Stiftung waren angeklagt, Spendenmittel durch Bewirtung, Privatentnahme und Ferienreisen veruntreut zu haben. Ein US -Journalist hatte vor Ort recherchiert.
Der Star, nicht ohne organisatorische Befähigung, war mehrfach angereist, hatte Weisungen erteilt und war wieder verschwunden. Oft wurde auch von ihrem Büro aus und in den Pausen zwischen zwei Proben über das Projekt im fernen Afrika kommuniziert. Ihr Imagepfleger gab den Rat, das Vorhaben aufzugeben. Der Star wollte das nicht, weil die beiden Kinder aus Malawi bereits adoptiert waren.
Jetzt wurde die Stiftung in professionelle Hände gelegt. Einer der Mitarbeiter des im Dezember 2010 verstorbenen Richard W. Holbrooke, der dessen Aids-Stiftung geführt hatte (während der langen Regierungsjahre George W. Bushs, in denen Holbrooke ohne Amt blieb), hatte den Auftrag übernommen, das Vorhaben auszubauen und zu kontrollieren. Statt einer Einzelschule für 500 Mädchen, die im Lande schwer auszuwählen sind und für welche nicht sogleich 500 verschiedene Lebenschancen bereitstehen, wenn die Schulzeit abgeschlossen sein wird (sie werden also zu Rivalinnen erzogen), will er Schulzentren in vielen Gemeinden der Republik Malawi errichten, in der Hoffnung, daß Mädchenbildung ein ganzes Land verwandelt. Holbrookes Mitarbeiter nennt das »Plantagen anlegen in den Köpfen junger Mädchen«. Sie werden Töchter und Söhne haben und den Lerneifer ansteckend machen, der hier gesät wird. Darauf legt der Superstar Wert, weil er – noch in der Bronx – ihn selbst gern gehabt hätte. Ein Anthropologe aus Harvard hat im Auftrag der Stiftung festgestellt, daß Bildungshunger eher über die mütterliche Seite weitergegeben wird, wenigstens in Nordostamerika. Holbrookes ehemaliger Assistent ist glücklich, mit einem lösbaren Problem zu tun zu haben und nicht wie bei AIDS IN AFRIKA und VERHANDLUNGSFRIEDEN IN AFGHANISTAN mit einem unlösbaren.
Spitzbergen wird zugeteilt
Kilometerlange kohlehaltige Felsschichten durchziehen (schon von See her gut erkennbar) die Berge der Inselgruppe Spitzbergen. Am 16. Juli 1914 begann in Oslo eine internationale Konferenz, die über die Souveränitätsrechte an diesen Inseln entscheiden
Weitere Kostenlose Bücher