Das fünfte Buch: Neue Lebensläufe. 402 Geschichten (German Edition)
sollte. Gehören sie Norwegen oder Rußland? Welche Rechte besitzen die USA , Japan, Großbritannien, Dänemark, Frankreich? Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs stellte die Konferenz ihre Arbeit ein. Beharrlich aber hielt der norwegische Diplomat Fritz Wedel Jarlsberg Kontakt. Jetzt, am 19. Februar 1920, wurde der Spitzbergen-Vertrag unterzeichnet, der Norwegen die Inselgruppe zusprach. Die Signatarmächte, auch die Sowjetmacht, haben das Recht zur Jagd, zum Fischfang und zur Einrichtung von Kohlegruben.
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Eines der letzten noch nicht verteilten Territorien der Welt wird zugeteilt. Warum an Norwegen? Weil es benachbart liegt?
Weil keiner sich darauf einigen kann, einem Konkurrenten die Inseln zuzuteilen.
Ein unwirtliches Gelände, im Winter fast wie auf dem Mond?
Aber wenige Schiffsstunden Fahrt, und Sie erreichen einen norwegischen Hafen.
Abb.: Eisenbahntrasse, die auf ein Bergwerk auf Spitzbergen zuführt. Die völkerrechtliche Zuordnung des Gebiets war 1919 umstritten. Es gelang, eine Vereinbarung zwischen Norwegen und Rußland zustande zu bringen, die jetzt das Vorbild für eine weiter greifende Konvention der beiden Länder hinsichtlich des Festlandsockels an der Barentssee und im Nordmeer bildet.
Tauschwert von überflüssig viel Raum
Hunde, die satt sind, buddeln für wertvolle Freßstücke ein Loch und sichern so ihr künftiges Interesse. Ähnlich gehen große Unternehmen vor, die Erdölexploration betreiben. Zunehmend neigen sie dazu, ihre Entdeckungen nicht auszubeuten, sondern zu versiegeln. Das Öl ist viel zu wertvoll, es gegen Geld zu tauschen. Um die Bewertung des Unternehmens an den Börsen in die Höhe zu treiben, ist kein Marktpreis geeignet, sondern nur die Einbildungskraft, die sich auf die Zukunft bezieht. Korrekt ist es, auf einem Schatz zu sitzen, ZUKÜNFTE zu hüten.
In den Nordregionen des russischen Vaterlandes, einschließlich des Schelfs vor der Küste, hat sich keiner der Leute je aufgehalten, die im Hotel Baltschug Kempinski in Moskau schon drei Tage und drei Nächte verhandelten. Ganz andere als sie sind dort oben pelzverpackt und sachkundig tätig. Diese wiederum haben keine Kompetenz für Verhandlungen, wie sie hier in Moskau geführt werden und die wirklichen Verhältnisse im hohen Norden stärker bestimmen, als jede Ingenieurskunst es vermag. Die Richtung der Verhandlung ist robust. Es geht darum, eine Demarkationslinie festzulegen, welche die russischen und die norwegischen Gebiete im Nordmeer bis zum Nordpol hin abgrenzt. Es deutet sich bei den Beratungen an, daß Norwegen unerwartet günstig abschneidet, die russische Delegation zeigt sich generös. Sie tauscht Know-how gegen Land. (Die Abgrenzung der Exploitationsgebiete rechnet sich in Meeresboden, insofern »Landfläche«, gleich ob unterseeisch.) Es sind die norwegischen Firmen, die über das Wissen und die Maschinerie verfügen, mit denen Bodenschätze in der Unwegsamkeit des Nordmeeres der Natur zu entreißen sind. Rußland müßte dieses Wissen erst erwerben. Nun fiele es der russischen Auslandsaufklärung nicht schwer, Geschäftsgeheimnisse, Patente, Gerätschaften der norwegischen Seite auszuforschen. Das ist längst geschehen. Es hilft aber nichts, wenn dadurch Geheimdienstler die Kenntnis erwerben, wie man Öl und Gas im hohen Norden zum Abbau bringt. Sie müßten Kurse für die russischen Geschäftsleute und Ingenieure einrichten; Erwachsenenbildung, Schulung, eine Unmasse von Gebrauchsanleitungen, ja, die nachträgliche Korrektur verfehlter sowjetischer Schulreformen müßte in den Köpfen dieser Praktiker durch den Geheimdienst vorgenommen werden, um das Erkundete anwendbar zu machen. Da wäre es besser, die Geheimdienstler würden selber zu Explorateuren. Wer aber leistet dann die Arbeit des Geheimdienstes? Eines der empfindlichsten Organe des Gemeinwesens, wenn es um Wirtschaftsspionage geht, die sich ja nicht auf die Ausbeutung des Nordmeers begrenzt.
So ist es besser, den Norwegern weite Gebiete der Polarregion und der Barentssee zuzusprechen, auf die ebensogut Rußland Ansprüche erheben könnte, um dadurch die Norweger ins russische Konzessionsgebiet zu locken. Die russische Phantasie erfreut sich von jeher an den Bildern der Kälte und der offenen Landschaften so hoch im Norden, aber dort hinzufahren und sich zu bewegen, hat kaum einer Lust.
Ein Treibstoff namens Gier
Über dem Norden meines Vaterlandes liegt neun Monate lang ein Mantel aus Schnee und Eis, manchmal auch zehn Monate. Wolkenberge ziehen
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