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Das fünfte Foto: Lila Zieglers fünfter Fall (German Edition)

Das fünfte Foto: Lila Zieglers fünfter Fall (German Edition)

Titel: Das fünfte Foto: Lila Zieglers fünfter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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ausreichend Sicherheitsabstand zu dem mürrisch über den Zaun starrenden Lama bedacht.
    »Eine ruhige Ecke. Da gehen nur Leute vorbei, die ebenfalls eine Parzelle bewirtschaften. Allerdings kommt es zu Baulärm, weil wir in unmittelbarer Nachbarschaft zur alten Zeche liegen.« Bengel wies mit einer ausholenden Geste über die Bäume hinweg. »Zurzeit wird das Gelände der ehemaligen Imprägnieranlage aufgefüllt. Schutt aus der ganzen Stadt wird dorthin gekarrt, geschreddert und verdichtet, damit ein Gewerbegebiet entstehen kann.«
    Ich sah in die Richtung, in die Bengel deutete, und hatte das Gefühl, etwas wirklich Großes zu übersehen. So wie ein Floh den Hund nicht sehen kann, auf dem er sitzt.
    »Wir sind direkt neben der Zeche?«
    »Lothringen« ,wiederholte Bengel mit mildem Lächeln. Ich ging davon aus, dass er nicht über eine Region im Nordosten Frankreichs sprach. »Im ganzen Ruhrgebiet ist der Boden löchrig wie ein Schweizer Käse. Theoretisch könnte man in Dortmund einfahren und in Bottrop wieder raufkommen. Unter uns befinden sich die alten Schachtanlagen der Zeche Lothringen .«
    Das klang beunruhigend, als könnte sich jeden Moment der Boden auftun und mich verschlucken, wie es neulich dem Kölner Stadtarchiv passiert war.
    » Lothringen war der größte Arbeitgeber in Gerthe. Die meisten Häuser der Stadtteile Gerthe, Hiltrop und Bergen sind extra für die Zechenarbeiter Lothringens gebaut worden. Genau wie die Kleingärten und die Bahntrasse, auf der die Materialien zwischen den Schächten transportiert wurden. Die führte direkt dort hinten entlang.« Der Schreber zeigte wieder über die Baumkronen hinweg.
    »Und du bist von Beruf Stadtführer, Peter?«, erkundigte sich Danner amüsiert.
    »Nee, Ausbilder bei Opel. Aber ich bin hier aufgewachsen. Wenn allerdings unser Werk demnächst dichtgemacht wird, sattele ich vielleicht noch um.« Er grinste bemüht. » Lothringen wurde bereits 1967 stillgelegt. Die Bahntrasse ist heute ein Wanderweg. Die Rückbauarbeiten der Zeche dauern bis heute an. Da kann es in den hinteren Gärten schon mal laut werden oder stauben.«
    Mit einem Mal wurde mir klar, dass die Zeit des Bergbaus keineswegs ähnlich lang zurücklag wie die Herrschaft der Dinosaurier.
    »Deshalb planen wir immer einen Probemonat ein. Natürlich auch, um zu sehen, ob die Neugärtner zur Nachbarschaft passen. Denn der Friede ist das Wichtigste, das ist im Kleingarten nicht anders als in der Weltpolitik.« Bengel setzte uns über die wichtigsten Regeln der Gartenfreunde in Kenntnis: »Die gute Nachbarschaft und der Zusammenhalt im Verein sind entscheidend. Die Vorschriften sind dazu gedacht, den Frieden zu erhalten. Einige Kleingartengesetze stammen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, deshalb darf man sie nicht zu genau nehmen. Zum Beispiel ist laut Bundeskleingartengesetz ein Drittel jedes Gartens dem Gemüseanbau vorbehalten. Die Leute möchten sich heutzutage aber im Garten erholen und nicht arbeiten. Solche Regeln muss man zeitgemäß interpretieren, solange niemand gestört wird. Der Toni zum Beispiel«, nickte Bengel in Richtung des schlecht gelaunten Lamas. »Die Besitzerin ist Künstlerin. Sie hat ein Atelier im Kulturwerk Lothringen, engagiert sich im Tierschutz und in dieser neuen Stadtgärtnerbewegung. Vor allem bei unseren jungen Familien kommen ihre Aktionen wie die ›Balkonbäume‹ gut an. Sie hat speziell einen Garten gesucht, in dem sie Tiere halten darf. Wir haben in der Vereinssitzung darüber entschieden. Schließlich haben wir bei ein paar Hühnern für den Eigenbedarf auch schon mal ein Auge zugedrückt. Wir wollen unseren Mitgliedern die Freizeitgestaltung ermöglichen, die ihnen vorschwebt. Natürlich ist dabei die richtige Auswahl der Nachbarn entscheidend. Wenn ich neben dem Lama einen Tierhaarallergiker einquartiere, sind Spannungen vorprogrammiert.«
    Bengel musterte Danner und mich kurz.
    Danner versprühte unrasiert, in dunklem Parka, Stiefeln und Mütze mal wieder prolligen Arbeitercharme, während ich mit dem unter meiner Cordjacke hervorragenden lila Schlabberpulli als seine aufsässige Teenie-Tochter durchgehen konnte. Gewöhnlich bereitete es den Menschen einige Schwierigkeiten, uns irgendwo einzuordnen. Aber der Vereinsvorsitzende schien vorurteilsfrei und erstaunlich gelassen.
    »In den Garten neben Alwin passt ihr schon«, lautete seine Einschätzung. »Besser als der Polizist. Ich zeig euch die Parzelle mal.«
    Besser als der Polizist?
    Die Nachbarn

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