Das fünfte Foto: Lila Zieglers fünfter Fall (German Edition)
hauchdünnen Libellenflügeln auf dem Rücken und Schwert und Schild in der Hand. Kriegerisch und zart zugleich.
Perfekt.
6.
Blut schwappte in dem durchsichtigen Plastikbeutel hin und her, als Danner unseren Fund aus Kopelskis Kühltruhe auf Stascheks Schreibtisch stellte. Das Fleisch war in der Wärme des Autos angetaut, es hatte sich Flüssigkeit gebildet.
Ich legte das in Plastik verpackte Handtuch, das Taschentuch und die Haarbürste daneben. Auf den Aktenordner, in dem Staschek bis dahin gelesen hatte. Seufzend sah der Kriminalkommissar auf: »Soll das eine Einladung zum Grillen sein?«
»Nur wenn du rausfindest, wer für diese Mahlzeit sterben musste«, entgegnete Danner.
»Und ob das Blut an dem Handtuch und dem Taschentuch zur Besitzerin der Haarbürste gehört«, ergänzte ich.
Stascheks warme, kastanienfarbene Augen wurden schmal. Er zupfte an den Gefrierbeuteln, um den Inhalt besser erkennen zu können.
»Blut«, informierte ihn Danner. »Definitiv.«
»Seid ihr an der verschwundenen Nachbarin von Matthias Hesskamp dran?«, wollte Staschek es genauer wissen.
»Klar.«
Staschek ließ den Zipfel des blutigen Plastikbeutels schnell wieder los: »Sagt nicht, ihr glaubt, das könnte ein Teil der Vermissten sein.«
»Lieber wäre mir, du würdest das Gegenteil beweisen«, entgegnete Danner. »Ausschließen können wir es aber im Moment nicht.«
»Und wie seid ihr so schnell an die Proben rangekommen?«
Danner klopfte ihm auf die Schulter. »Wenn du es so genau wissen willst, hättest du selbst ermitteln müssen. Wie lange brauchst du für die Ergebnisse?«
»Ob es menschlich ist, erfahre ich heute noch. Aber die DNA-Analyse kann dauern.«
Patsch.
Erstaunt folgte mein Blick dem Weg des Geschosses, das dicht vor meinem Gesicht meinen Weg gekreuzt hatte, um im Geäst zu meiner Rechten zu landen. Dickflüssiger Schleim tropfte von den zarten, ersten Blättern.
Was zum Teufel sollte das? Suchend drehte ich mich nach dem Schleimschützen um – und stand einem zottigen Ungeheuer gegenüber. Auge in Auge. Mit mürrischer Miene glotzte das Monstrum über einen Lattenzaun. Das Vieh war einen Kopf größer als ich, mit großen, trägen Augen unter einer wolligen Frisur, Schlappohren und einer hängenden Unterlippe, die lange, gelbe Zähne im Unterkiefer freigab. Offensichtlich hatte das Tier schlechte Laune und passte damit nicht so recht zu dem Schild, das wir kurz zuvor am Eingang zur Schrebergartenkolonie passiert hatten. Zum friedlichen Nachbarn hatte darauf gestanden. Als Motto fürs Zusammenleben in der Kleingartenidylle.
»Mehrere Kleingartenanlagen in Bochum tragen Namen, die an die Zeche Friedlicher Nachbar in Bochum-Linden erinnern.« Peter Bengel, der Vorsitzende des Kleingartenvereins klopfte auf einen brusthohen, mit Blumen bepflanzten Wagen auf kleinen Rädern, der wie der Miniaturwaggon einer Eisenbahn aussah. Nach einem Anruf von Katrin Hesskamp hatte uns der Schrebergärtner am Tor der Kolonie empfangen.
Danner und ich hatten beschlossen, uns um die Hecken im brachliegenden Schrebergarten zu kümmern. Eine gute Gelegenheit, um unauffällig zu prüfen, ob Alwin Kopelski in letzter Zeit etwas Größeres vergraben hatte. Oder ob Bine Kopelski in der Gartenlaube einer Freundin schmollte.
»Unsere Kleingärten hier sind ursprünglich für die Belegschaft der Zeche Lothringen angelegt worden. Im letzten Jahrhundert hat ja praktisch ganz Gerthe im Bergbau gearbeitet.«
Ach ja, der kleine Eisenbahnwaggon war eine Lore. Ich betrachtete das altertümliche Kohletransportmittel. Mittlerweile lebte ich gut ein halbes Jahr in Bochum, und wusste natürlich, dass im Ruhrgebiet mal Kohle abgebaut worden war. Damit endeten meine Kenntnisse über den Bergbau aber auch schon. Und außer dem Bergbaumuseum waren mir bisher keine Relikte dieser Vergangenheit aufgefallen.
»Passen Sie auf, der Toni spuckt schon mal«, warnte der Kleingartenvorsitzende reichlich spät. Peter Bengel verbreitete Naturburschenflair: In seiner Anglerweste steckten Taschenmesser, Schäufelchen, Spachtel, Schnurenden und an seinem Gürtel aus stabilem Leder baumelte eine Gartenschere wie ein Colt. Der Oberschreber führte uns zu einer Tafel, die einen Überblick über die Kleingärten gab.
»Insgesamt haben wir über hundertfünfzig Parzellen, jede zwischen dreihundert und vierhundert Quadratmeter groß. Der Kleingarten der Hesskamps befindet sich am hinteren Ende.« Bengel tippte mit langem Arm auf den Lageplan, immer auf
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