Das fünfte Foto: Lila Zieglers fünfter Fall (German Edition)
konnte Matthias schon zu Schulzeiten nicht leiden , hatte Katrin Hesskamp erzählt. Allmählich war ich gespannt auf die Naturfreunde. Ich war noch nie in einer Kleingartenanlage gewesen. Meine Vorstellung basierte hauptsächlich auf Doku-Soaps im Privatfernsehen, in denen alteingesessene Schreber verhindern wollten, dass Biologie studierende Neugärtner den Kies für ihren Gartenteich mit dem Kipplaster in die Kolonie walzten. Ich ordnete Schrebergärten irgendwo zwischen Campingplatz und Gartenzwergausstellung ein und erwartete eine Reihe gleich großer, rechteckiger Grünlandschnipsel mit Umzäunung, einheitlich ausgestattet mit Hütte, Sitzgruppe, Sonnenschirm und Goldfischteich mit Brücke.
Allerdings störte Toni, das Lama, meine Vorstellung irgendwie.
Als ich außer Spuckweite war, warf ich einen Blick zurück. Ein Hängebauchschwein, ein Esel und ein Schaf leisteten Toni Gesellschaft. Statt einer Gartenlaube entdeckte ich einen mit Stroh gefüllten Unterstand und einen mit Planen abgedeckten Heuhaufen. Auf einem selbst gemalten Holzschild stand: Wir freuen uns über Futterspenden! Kontakt: J. Engele, Rente-für-Zirkustiere.de
Eine ältere Frau in Latzhose und Gummistiefeln schob in diesem Moment eine Mistkarre aus dem Stall. Anscheinend die tierliebe Künstlerin, von der Bengel gesprochen hatte. Ihre hellgrauen Haare hatte sie zu zwei mädchenhaften Zöpfen geflochten.
Auf der Parzelle neben dem Tierasyl stand ein hellblauer Bauwagen. Ein Pflanzenfreund in Birkenstocklatschen baute Biogemüse an. Zwischen Johannisbeerbüschen und Brombeerhecken entdeckte ich Bienenstöcke.
Im nächsten Garten hatte sich ein offensichtlich neureicher Heimwerker einen Schwimmteich samt Tropenholzumrandung und wetterbeständigen Sonnenliegen gebastelt.
»Wir wollen Familien die Gelegenheit geben, Natur zu erleben. Junge Eltern wollen ihren Kindern heutzutage wieder zeigen, was ein Regenwurm ist.« Bengel führte uns weiter quer durch die Anlage.
Ich entdeckte Wohnanlagen für Insekten, Miniaturfachwerkhäuschen und Bonsaibäumchen.
»Dort drüben beginnt dann das alte Zechengelände.«
Wir waren im hinteren Teil der Kleingartenkolonie angekommen. Hinter den Gärten erhob sich ein meterhoher Wall wie ein Deich.
»Der Boden wird aufgeschüttet und stabilisiert – Alwin!«
Im Vorbeigehen hob der Anglerwestenträger eine Hand.
Ich drehte mich um und erblickte tatsächlich Grizzly Adams. In der freien Wildbahn sah der Mann noch Furcht einflößender aus als auf seinem eigenen Pappaufsteller: groß, kräftig, mit Rauschebart und Lederjacke saß er vor einer Gartenlaube, die aus Baumstämmen errichtet war wie eine Blockhütte in den Rocky Mountains. Über der Tür hing der ausgestopfte Kopf eines Elches und an der Hauswand ein mottenzerfressenes, braunes Fell, das wohl ursprünglich einem unter Haarausfall leidenden Büffel oder einem Bären mit Schädlingsproblem gehört hatte.
Neben dem Blockhaus erstreckte sich ein großer Gartenteich. Ich registrierte die dicke, schwarze Folie, die am Ufer aus der Erde ragte. Kein Zweifel, der Teich war erst kürzlich angelegt worden.
»Ja, Herr Danner, das ist also die Parzelle«, zog Bengel meine Aufmerksamkeit auf sich. »Vierhundert Quadratmeter, Strom und Wasseranschluss. Es muss natürlich einiges getan werden. Aber dafür mache ich Ihnen einen Sonderpreis fürs erste Jahr.«
Die Hände in den Jackentaschen spähte Danner über einen Maschendraht in vierhundert Quadratmeter mannshohes Gestrüpp.
»Was für ein Zufall«, grinste er. »Das ist genau das, was wir suchen.«
Klick.
Frische Brötchen. Mit Mohn oder Körnern. Noch warmes Brot im Regal. Weizen, Roggen und Vollkorn, groß oder klein, eckig und rund. Die Verkäuferin ist jung und stämmig. Mit roten Wangen, kurzen, hellen Haaren und weißer Schürze. Sie reicht die prall gefüllte Tüte über den Tresen.
Ein Foto wie aus der Werbung.
7.
Grizzly Adams war aufgestanden und beobachtete mit grimmigem Gesicht, wie Danner eine Kiste Fiege- Bier auf dem Gartenweg abstellte.
Ich nickte dem Bärtigen freundlich zu.
»Hmpf!«, machte der Mann statt einer Antwort und ließ sich wieder auf den wackligen Plastikstuhl vor seiner Blockhütte fallen.
Ratlos betrachteten wir das morsche, in vertrockneten Brennnesseln und Schlingpflanzen festgewachsene Gartentor unserer Parzelle. Ich war davon ausgegangen, dass Katrin Hesskamps Bezeichnung ›Dschungel‹ eine Übertreibung gewesen war.
»Na, da habt ihr euch ja ein Stück
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